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Die langen Schatten des Bunga-Bunga

Von Julius Müller-Meiningen

Politik

Silvio Berlusconis Sozialdienst ist zu Ende, die Justiz ermittelt nun wegen Zeugenbestechung gegen ihn.


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Rom. Im weißen Arztkittel sitzt er am Tisch und trinkt Kaffee. Anschließend beschenkt er eine der Patientinnen mit Schmuck. So ist Silvio Berlusconi in einem heimlich gedrehten Video aus dem Pflegeheim Sacra Famiglia in Cesano Boscone bei Mailand zu sehen. Am Freitag wird der viermalige italienische Ministerpräsident zum letzten Mal die Alzheimer-Patienten besuchen. Dann hat der schillernde Medienunternehmer seine Strafe wegen Steuerbetrugs verbüßt, wegen guter Führung wurden ihm 45 Tage erlassen. Zehn Monate lang kam der 77 Jahre alte Ex-Cavaliere in der Limousine zur Altenpflege. Jeden Freitag von 9 bis 13 Uhr.

Nun ist Schluss, rührende Abschiedsszenen nicht ausgeschlossen. Denn wie ein anonymer Pfleger der Tageszeitung "La Repubblica" verraten hat, freundeten sich Straftäter und Patienten offenbar an. Treffen die Erzählungen des Angestellten der Sacra Famiglia zu, dann leistete der Ex-Premier ganze Arbeit. Er fütterte, stützte die Alten beim Spaziergang, deckte den Essenstisch ab und tat das, was er am besten kann: Berlusconi erzählte Witze, führte kleine Sketche zur Erheiterung des Publikums auf, plauderte aus dem politischen Nähkästchen und soll kurz vor Weihnachten sogar seine Gesangskunst unter Beweis gestellt haben.

Kann sich Berlusconi, dem derzeit die Führung seiner in Auflösung begriffenen Partei Forza Italia zu entgleiten droht, damit endgültig aufs Altenteil zurück ziehen? Wohl nicht. Denn mit einer etwas anderen Art von Hilfestellung hat Berlusconi nun wieder die Aufmerksamkeit der Staatsanwälte auf sich gezogen.

Die Ermittler vermuten, der Politiker hätte die leichten Mädchen seiner Bunga-Bunga-Nächte mit viel Geld zum Schweigen gebracht. Als Ersatz für den erlittenen Image-Schaden, behauptet Berlusconi, der in seiner Villa in Arcore nur kurzweilige Abendessen veranstaltet haben will. Die Ermittler gehen davon aus, dass es sich um Schweigegeld und die Bezahlung von Falschaussagen im "Ruby"-Prozess handelt, also um Korruption. Der wegen Amtsmissbrauchs und Prostitution Minderjähriger angeklagte Berlusconi wurde in zweiter Instanz freigesprochen. Für den 10. März wird das letzte, rechtskräftige Urteil erwartet.

Sechs Millionen für Ruby?

Insbesondere die heute 22 Jahre alte Marokkanerin Karima El Mahroug alias Ruby Rubacuori, um die die juristische Affäre kreist, soll eine großzügige Abfindung im Gegenzug für ihre Falschaussage ("Ich hatte keinen Sex mit Berlusconi") erhalten haben. Die Rede ist von sechs Millionen Euro. Die offiziell Mittellose nahm stets das Taxi, wenn sie von ihrem Zuhause in Genua ins 150 Kilometer entfernte Mailand fuhr. Den Kindergeburtstag ihrer Tochter ließ Ruby sich 7000 Euro kosten, das Motorrad für ihren Freund mehr als 10.000 Euro, Luxusferien auf den Malediven bis zu 80.000 Euro. Auch mehrere Immobilien El Mahrougs in Mexiko sind Gegenstand der Ermittlungen. Die Altenpflege mag Italiens umstrittenster Politiker hinter sich gebracht haben, die Berlusconi-Saga ist aber noch lange nicht am Ende.