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Die Lässigkeit eines Adeligen

Von WZ-Korrespondentin Christine Zeiner

Europaarchiv
Seine Umfragewerte bereiten Guttenberg derzeit noch kein Kopfzerbrechen. Foto: ap

Karl-Theodor zu Guttenberg denkt nicht an Rücktritt. | Soziologe sieht ungetrübten Glanz trotz Skandalen. | Berlin.Rücktritt? "So weit kommts noch, meine Damen und Herren, dass man sich nach so einem Sturm drücken würde, so weit kommts noch": Der deutsche Verteidigungsminister geht in die Offensive. Dass Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) etliche Passagen ohne Quellenangabe in seine Doktorarbeit hat einfließen lassen, beschäftigt das Land nun seit einer Woche. Und für Guttenberg ist klar: Es gäbe wichtigere Themen. Der Tod von drei Bundeswehrsoldaten in Afghanistan verkomme aber in den Medien zur "Randnotiz".


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Damit habe Guttenberg auch nicht unrecht, sagte der Grüne Politiker Hans-Christian Ströbele im "Deutschlandfunk". Guttenbergs Verhalten habe aber freilich dazu beigetragen, dass man sich mit der "Dissertations-Affäre" mehr befasse als mit seiner Arbeit als Minister: Zuerst habe Guttenberg erklärt, die Vorwürfe seien abstrus, "und dann gibt er immer mehr zu".

Am Montagabend hatte Guttenberg schließlich erklärt, "gravierende Fehler" gemacht zu haben. Seinen Titel wolle er zurücklegen. Die zuständigen Kommissionen an der Universität Bayreuth würden die Arbeit dennoch prüfen, teilte Universitätspräsident Rüdiger Bormann am Dienstag mit.

Für die SPD steht jedenfalls fest: Der Minister muss gehen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) winkt freilich ab. Und auch die Mehrheit der Deutschen steht laut Umfragen hinter Guttenberg. Wie kommt das?

Image eines Politikers, der sich etwas traut

Guttenberg wirkt - anders als viele Politiker - so, als könnte man sich an der Bar einfach neben ihn stellen und mit ihm ein Bier trinken: Er will eben nicht als "einer von denen da oben" wahrgenommen werden. Dass er "vielleicht ein wenig geschummelt" hat, wird ihm deshalb verziehen. Und dass Guttenberg als früherer Wirtschaftsminister Nein zu Staatshilfen für Opel gesagt hatte und als Verteidigungsminister die von Konservativen verteidigte Wehrpflicht de facto abschaffte, brachte ihm weitere Sympathiepunkte: Da ist einer, der sich etwas traut, heißt es.

Es ist diese "Lässigkeit gegenüber den Großkopferten", die den Menschen gefalle, sagt der Soziologe Michael Hartmann von der Uni Darmstadt zur "Wiener Zeitung". Dass diese Lässigkeit aber erst möglich ist, weil Guttenberg eben doch einer "von oben" ist, einer, der als Adeliger kaum fallen kann, werde nicht wahrgenommen. Skandale in Afghanistan und in der Bundeswehr würden dem Glanz nicht schaden, weil sie das Leben der Menschen nicht unmittelbar beeinflussten - anders als Themen wie die Hartz-IV-Sätze, meint Hartmann. "Das alles ist kurios. Aber das haben Sie nicht nur in Deutschland. Denken Sie an Silvio Berlusconi oder an Jörg Haider."

Je mehr der Handlungsspielraum der nationalen Politiker sinke, schrieb der Philosoph Jürgen Habermas in der "New York Times", je mehr sich Politiker scheinbar unausweichlichen wirtschaftlichen Geboten fügten, umso mehr nehme das Vertrauen der Gesellschaft in die Politik ab. Das wachsende Unbehagen spiegle sich auch in der Attraktivität von charismatischen Figuren und "Nicht-Politikern" wie Karl-Theodor zu Guttenberg wider.