Zum Hauptinhalt springen

"Die Latte für 15. Oktober liegt nicht auf Knöchelhöhe"

Von Reinhard Göweil

Politik

Bundeskanzler Christian Kern: "Wenn wir bei der Wahl nicht deutlich Erster werden, kommt Schwarz-Blau."


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. Bundeskanzler Christian Kern hat am Donnerstag den 7-Punkte-Katalog zur Zusammenarbeit mit anderen Parteien, vor allem der FPÖ, noch einmal in einem Hintergrundgespräch präzisiert. Er legt dabei nicht nur den Freiheitlichen, sondern auch der eigenen Partei die Hürde hoch. "Die Latte für den 15. Oktober liegt nicht auf Knöchelhöhe", sagte der seit knapp einem Jahr amtierende SPÖ-Vorsitzende.

"Ich will deutlich vorne liegen, nicht nur ein paar Zehntelprozent." Kern glaubt, dass der aktuelle Rückstand in den Umfragen zur ÖVP unter Sebastian Kurz aufgeholt werden kann. Mithelfen soll der nun vorliegende Kriterien-Katalog, mit dem die SPÖ die innerparteiliche Diskussion beenden will, ob eine Koalition mit der FPÖ in Frage kommt oder nicht. Kern rechnet damit, dass die nun gefundene Formel funktioniert. "Nach heutigem Stand wäre so eine Koalition nicht möglich, aber wenn sich die FPÖ so weit bewegt, natürlich."

Die größten Stolpersteine: Frauenpolitik, Bildungspolitik und die Erbschaftssteuer ab einer Million Euro Vermögen. Kerns Kalkül: Wenn die SPÖ mit der Regierungsbildung betraut wird, käme eine "ganz neue Dynamik" in die politische Diskussion. Bis 15. Oktober sind aber noch 121 Tage, und Kurz liegt derzeit in den Umfragen deutlich vorne. Zwar kommt dieser Zuwachs sehr stark von der FPÖ, die demnach mittlerweile an dritter Stelle liegt.

Aber auch Kern will frühere SPÖ-Wähler von der FPÖ zurückholen, aber auch Nicht-Wähler ansprechen. Das waren bei der vergangenen Nationalratswahl 2013 immerhin 25 Prozent der Wahlberechtigten. Dass diese prinzipielle Öffnung der SPÖ in Richtung FPÖ der Kanzlerpartei Stimmen kosten könnte, glaubt Kern nicht. "Wir hören einfach damit auf, uns gegen jemand zu definieren. Die Sozialdemokratie sollte ja mit den eigenen Positionen wahrgenommen werden", meint der Parteivorsitzende.

Sein Ziel ist nach wie vor eine "progressive Koalition", die er nicht definierte, aber die wohl mit Grünen und Neos zu bilden wäre. Das geht sich derzeit rechnerisch nicht aus. Insgesamt bestehen die "Koalitions-Kriterien" der SPÖ aus zwei Teilen. Ein "Wertekompass", der - etwa beim Thema Europa - durchaus Interpretationsspielraum bietet.

Wesentlicher ist wohl der 7-Punkte-Katalog, in dem konkrete sachpolitische Ziele formuliert werden (siehe Einspalter rechts). Der SPÖ-Vorsitzende rechnet damit, dass diese Vorschläge insgesamt die Abgabenquote um "ein bis 1,5 Prozent" nach unten bringen würde. Das wäre etwa die Hälfte dessen, was Sebastian Kurz forderte, aber den Weg dorthin noch nicht beschrieb.

Kern ist aber kein Freund von prozentuellen Abgabenquoten als politisches Ziel. "Es geht doch darum, dass Österreich überall an der Spitze Europas steht." Trotz der aktuellen Abgabenquote von knapp über 43 Prozent hätten sich im Vorjahr 331 internationale Firmen in Österreich angesiedelt. Es müsse daher andere Parameter geben, die den Wirtschaftsstandort Österreich attraktiv machen als derartige Vergleiche. Außerdem liege die Investitions-Quote der heimischen Wirtschaft derzeit bei drei Prozent, das sei deutlich höher als jene in Deutschland, rechnet der Manager Kern vor.

Dass die Industriellenvereinigung sehr erfreut auf die Kurz-Ankündigung reagierte, die Abgabenquote um fast 14 Milliarden Euro zu senken, sieht Kern gelassen. "Das Körperschaftsteuer-Aufkommen in Österreich liegt bei etwa 7,7 Milliarden Euro. Die Wirtschafts-Förderungen liegen in etwa in gleicher Höhe. Dann kürzen wir halt auch diese Förderungen. Es ist immer leicht, etwas zu sagen und nicht zu überlegen, was das bedeutet."

Die indirekten Förderungen, die nach dem Kurz-Plan ebenfalls deutlich gesenkt werden sollten, bestehen zu einem Gutteil aus Steuerleichterungen bei Mieten und Medikamenten. "Die zu streichen, würde Wohnen und Medikamente verteuern."

Und auch bei der Pensionsreform verweist der Bundeskanzler auf die Zahlen. "Wir haben derzeit zwei Millionen prekär Beschäftigte. Wenn wir also ins System hineinschneiden, riskieren wir künftige Altersarmut in beträchtlichem Ausmaß."

In der kommenden Wahlauseinandersetzung will sich die SPÖ offenkundig verstärkt diesen Sach-Argumenten widmen. Und hofft nun darauf, dass mit dem Kriterien-Katalog die bisher alles überstrahlende FPÖ-Diskussion endlich erledigt ist.