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Die Lauten folgen den Ruhigen

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Gelingen der EU-Reform als Messlatte. | Slowenische Erfolge: Kosovo, Energie und Arbeitszeiten. | Brüssel. Unterschiedlicher hätten sie nicht sein können: Die Slowenen, deren EU-Vorsitz sich dem Ende zuneigt, arbeiteten still und effizient einige seit langem offene EU-Baustellen auf. Schon seit Monaten trompetet dagegen der französische Präsident Nicolas Sarkozy seine Schwerpunkte in die Öffentlichkeit - Umsetzung des EU-Klimapakets, die Schaffung einer Grundlage für ein gemeinsames Asylsystem, Aufwertung der EU-Verteidigungskapazitäten und eine Mittelmeerunion für intensivere Beziehungen mit den Nachbarländern im Süden.


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Ab kommenden Dienstag muss er beweisen, was er davon umsetzen wird können. Dann übernimmt er für ein halbes Jahr den Chefsessel der Union und das ungewollte Hauptthema seines Vorsitzes servierten ihm schon einmal die Iren mit ihrem Nein zum Reformvertrag von Lissabon. Zwar betont Paris, sich von seinem Arbeitsprogramm nicht ablenken zu lassen. Doch gemessen wird es wohl nach den spätestens beim EU-Gipfel im Dezember erwarteten Lösungsansätzen zur Einrenkung der EU-Reform.

Slowenien war mit dem Fokus auf den Westbalkan angetreten und hatte dafür reichlich Vorschusslorbeeren bekommen - kein Mitgliedsstaat hätte mehr Erfahrung mit der Region, so der Tenor. Und tatsächlich konnte Laibach seine Königsaufgabe Kosovo-Unabhängigkeit überzeugend lösen. Die meisten EU-Länder haben die ehemalige südserbische Provinz bereits als Staat anerkannt oder wollen das noch tun. Alle Mitgliedsstaaten unterstützen die EU-Mission Eulex zum Aufbau von Justiz, Polizei und Verwaltung im jüngsten europäischen Land, wenn auch Zypern nur per "konstruktiver Enthaltung". Nikosia war zwar nicht dafür, wollte aber auch nicht blockieren, bedeutet das in der Diplomatensprache. Dass Eulex jetzt vor allem im mehrheitlich serbischen Kosovo-Norden grobe Probleme beim Aufbau habe, sei den Slowenen nicht anzulasten, heißt es.

Und trotz aller Wirren konnte Serbien auf EU-Kurs gehalten werden. Zwar war die Regierung von Premier Vojislav Kostunica an der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo und der darauf folgenden Ausrichtung Belgrads zerbrochen. Doch seit Anfang der Woche gibt es eine neue pro-westliche Koalition in Serbien.

Ohne viel Getöse haben die Slowenen zudem den seit Jahren schwelenden Streit um einheitliche EU-Höchstarbeitszeiten gelöst, eine Vorentscheidung bei der Energiemarktliberalisierung ohne Zerschlagung der Energiekonzerne herbeigeführt und Mindeststandards für die Schubhaft in der Union beschließen lassen.

Paris: Kein Referendum zu Türkei-Beitritt

Sarkozys große Pläne werden nun durch die aufwendige Rettung des Lissabonner Vertrags deutlich erschwert. Schon am 11. Juli fährt er zu Sondierungsgesprächen nach Dublin. Denn an ein Gelingen der Reform knüpft er auch künftige Erweiterungen. Zwar hat der französische Senat nun abgelehnt, dass über neue EU-Beitritte Volksabstimmungen abgehalten werden - auch im Fall der Türkei, gegen deren Beitritt Sarkozy stets aufgetreten ist. Vom Referendum rückt Sarkozy nun ab - ohne Auswirkungen, meinen Beobachter - der Entscheidungsprozess würde wegen der ablehnenden Haltung der Regierung ohnehin gar nicht erst eingeleitet.