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Die Lehre aus Burgenland und Steiermark

Von Erhard Fürst

Gastkommentare
Erhard Fürst war Leiter der Abteilung Industrie- und Wirtschaftspolitik in der Industriellenvereinigung.

Das Vertrauen in die politische Handlungsfähigkeit, aber zunehmend auch in jene der erstarrten Sozialpartnerschaft, ist nachhaltig erschüttert.


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Nach einer Schrecksekunde hat das für beide Regierungsparteien gleichermaßen katastrophale Wahlergebnis im Burgenland und noch mehr in der Steiermark eine rasche Erklärung gefunden: die unglückliche Kumulation negativer Faktoren, wie steigende Arbeitslosigkeit, Missmanagement in der Flüchtlings- und Immigrationspolitik, unpopuläre Gemeindezusammenlegungen, die Androhung des gläsernen Steuerzahlers. Damit konnte man sich wieder traditionellen Machtspielchen zuwenden, ist doch eine neuerliche Kumulation solcher Widrigkeiten eher unwahrscheinlich und ohnehin "bessere Kommunikation" angesagt.

So einfach darf man es sich aber nicht machen, haben sich doch wesentliche Rahmenbedingungen dauerhaft verändert. An erster Stelle steht die exzessive öffentliche Verschuldung mit rund 85 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Jahrzehnte lang konnte die Politik durch jährliche Defizite Wachstum auf Kredit kaufen und sich damit ein paternalistisches Macherimage aufbauen. Doch das Fest ist nun zu Ende - nicht wegen der viel gescholtenen "Austeritätspolitik" der Europäischen Union, sondern wegen des Damoklesschwerts eines Vertrauensentzugs durch die Finanzmärkte und damit verbundener drastischer Zinserhöhungen.

Die Mehrzahl der Bürger steht diesem Paradigmenwechsel unvorbereitet gegenüber. Zu lange befanden sie sich im staatlichen Beglückungs- und Bestechungsmodus. Da wird plötzlich die unerhörte Möglichkeit eines Konkurses eines Bundeslandes diskutiert, da werden Mittel des Arbeitsmarktservice für Ausbildung gekürzt, Subventionen werden gestrichen, und sogar die traditionsreiche Militärmusik wird in Frage gestellt.

Die wiederholten Beteuerungen der Politik, die Wirtschaft ankurbeln und neue Arbeitsplätze schaffen zu wollen, klingen hohl und unglaubwürdig, während sie über Orchideenthemen wie Pograpschen, Ampelpärchen oder Homosexuellenehe streitet. Das Vertrauen in die politische Handlungsfähigkeit, aber zunehmend auch in jene der erstarrten Sozialpartnerschaft, ist dadurch nachhaltig erschüttert. Daher ist es nicht weiter überraschend, wenn sich das Wahlvolk nach (trügerischen) linken oder rechten Alternativen umschaut.

Aus dieser brandgefährlichen Entwicklung gibt es nur einen Ausweg: Erstens muss die Bevölkerung mit einer schonungslosen Bestandsaufnahme aller Problembereiche konfrontiert werden, vom Pensions-, Gesundheits- und Bildungssystem bis zum akut drohenden Verlust der Wettbewerbsfähigkeit Österreichs. Zweitens muss ein realistisches Zukunftsprogramm zur wirtschaftlichen Sanierung präsentiert und um Verständnis für die unvermeidlich damit verbundenen Opfer und Einschränkungen geworben werden. Und als schwierigste Anforderung: Hinter diesem Programm müssen Persönlichkeiten mit Führungsqualitäten, Realitätssinn, Kompetenz und hoher persönlicher Glaubwürdigkeit stehen.

Sich mit rückwärts gewandten, globalisierungs- und europafeindlichen Kräften ohne Wirtschaftskompetenz ins Bett zu legen, mag zwar dem kurzfristigen Machterhalt dienen - langfristig droht es aber, die wirtschaftliche Zukunft Österreichs zu zerstören.