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Die Lehren aus 2016

Von Thomas Seifert

Leitartikel

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2016, das war kein Jahr für aufrechte Liberale und rechtschaffene Bürger. Die Brexiteers oder Donald Trump scherten sich wenig um Fakten - und sie gewannen Wahlen.

Österreich war freilich anders. Die rechtsdemagogische FPÖ erlitt bei der Bundespräsidentenwahl eine herbe Niederlage. Lektion für die FPÖ: Der Mehrheit der Wählerinnen und Wählern war die Verbissenheit der Freiheitlichen nicht geheuer, die Menschen hatten weniger Angst vor den Schreckgespenstern, die die FPÖ an die Wand gemalt hat, und mehr Angst vor der Angstmache der Freiheitlichen.

Und so hält Österreich einige Lehren bereit: Wenn Liberale und progressive Kräfte nicht davor zurückschrecken, sich als Patrioten zu positionieren, dann gelingt es ihnen, nationalistischen Demagogen den Alleinvertretungsanspruch für die "Heimat" zu entreißen.

Ein klares Bekenntnis zu rechtsstaatlicher Ordnung ist der beste Kompass bei Debatten um Asyl und Fremdenrecht. Ein solches Bekenntnis bedeutet, dass Menschen, deren Asylantrag negativ beschieden worden ist, in ihre Herkunftsländer ausreisen müssen. Und das bedeutet, dass Ausländer, die straffällig geworden sind, ihr Recht, im Land verbleiben zu dürfen, verwirkt haben.

Von Menschen, die sich dauerhaft in einem Land ansiedeln wollen, kann man Loyalität zu dieser neuen Heimat verlangen - das ist keineswegs reaktionär. Aber: Loyalität gibt es im Tausch für Solidarität. Und Solidarität heißt, alles zu unternehmen, dass Migranten und Schutzsuchende möglichst rasch in die Gesellschaft integriert werden.

Übrigens: Asylobergrenzen halten internationalen Rechts-Standards nicht stand. Sie sind schlicht Unfug.

Bunte Allianzen von Progressiven, Liberalen, Sozialdemokraten und Christ-Konservativen werden 2017 bei den Wahlen in den Niederlanden und in Frankreich den Rechtsdemagogen entgegentreten. Diese politischen Lager eint mehr, als sie trennt, vor allem im Vergleich zu den Rechtsaußen-National-Nostalgikern.

Schließlich: Rechtsdemagogen reden viel lieber über "Asylanten" und "Fremde" als über soziale Ungleichheit, Chancengerechtigkeit oder die Aushöhlung des Staates und der Mittelschicht. Identitätspolitik, nicht Sozialpolitik ist die Kernkompetenz der Rechtsdemagogen. Ob der Mitte 2017 ein Themenwechsel gelingt?