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Die Lehren aus dem Fall Zogaj

Von Katharina Schmidt

Politik

2010 wurde in mehr als 8000 Fällen Bleiberecht gewährt.
| Wie ein Teenager einen - kleinen - Asyl-Paradigmenwechsel auslöste.


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Wien. Es war ein lange und unschöne Geschichte. Nun hat sie ein Ende gefunden. Arigona Zogaj darf in Österreich bleiben. Die mittlerweile 20-jährige Kosovarin, zwei ihrer Geschwister und ihre Mutter haben eine vorerst auf zwei Jahre beschränkte Niederlassungsbewilligung erhalten - mit Verlängerungsoption, wenn sie straffrei bleiben.

An den Verfahren, die sich nun über elf Jahre (im Mai 2001 beantragte Arigonas Vater zum ersten Mal Asyl) hingezogen haben, zerbrach die Familie der Zogajs. Aber auch gesamtgesellschaftlich hatte der Fall, der mit dem Untertauchen des Teenagers 2007 öffentlich bekannt wurde, weitreichende Folgen. So schlug der Familie - größtenteils - eine Welle der Solidarität entgegen, die seither immer wieder Menschen, die von Abschiebung bedroht sind, erfasst. Erst am Montag haben in Attnang-Puchheim 200 Menschen für den Verbleib einer kosovarischen Familie demonstriert. Ein zweiter Fall betrifft eine sechsköpfige Familie, die 2004 von Tschetschenien nach Grein geflohen ist und ebenfalls kein Asyl bekommen hat. Beide Familien haben Anträge auf humanitären Aufenthalt gestellt.

Und auch dieses "Bleiberecht" ist zum Teil eine Folge der Lehren aus dem Fall Zogaj. Es geht zwar auf ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) aus 2008 zurück: Damals haben die Höchstrichter ein Antragsrecht des Betroffenen statt einer Vergabe von Amts wegen eingefordert.

Wie das Bleiberecht dann repariert wurde, steht aber in engem Zusammenhang mit der Causa Zogaj: Denn zu diesem Zeitpunkt hatte sich das Innenministerium schon auf ein striktes "Nein" zum Verbleib der Familie festgelegt, eine für sie günstige Regelung war unwahrscheinlich. Zwar wurde ein persönliches Antragsrecht geschaffen, aber nur für Personen, die seit dem 1. Mai 2004 im Land sind. Auf die Zogajs traf dies nicht zu. Dennoch hat diese Regelung auch zu einem - kleinen - Paradigmenwechsel in der Asylpolitik geführt: Menschen, die in Österreich weder Asyl noch subsidiären Schutz bekommen, können jetzt ein Bleiberecht beantragen.

8311 Bleiberechtsfälle

Die Kriterien dafür werden von NGOs immer wieder als zu streng kritisiert. So muss die Behörde den Grad der Integration anhand der schulischen Ausbildung, der Beschäftigung, der Deutschkenntnisse und der Selbsterhaltungsfähigkeit überprüfen. Gerade Letzteres ist bei Asylwerbern, die lange auf eine Entscheidung warten, aber schwierig, da sie nicht arbeiten dürfen. Laut Heinz Fronek von der Asylkoordination gibt es in den aktuellen Fällen aus Oberösterreich mehrere Einstellungszusagen. Auch, dass jugendliche Asylwerber wegen fehlender Arbeitsgenehmigungen keine Lehrstellen bekommen, kritisiert Fronek scharf.

Trotz der schwierigen Bedingungen wurden 2011 laut Innenministerium 8311 Niederlassungsbewilligungen aus humanitären Gründen erteilt - insgesamt werden ungefähr zwei Drittel der Anträge positiv beschieden. Wie viele "Altfälle" - also Menschen, die schon länger als seit Mai 2004 auf eine Asylentscheidung warten - es noch gibt, kann niemand so genau sagen. Beim Asylgerichtshof waren 2010 noch 7000 Fälle aus der Zeit vor 2008 anhängig.

Abgesehen von den rechtlichen Neuerungen hat der Fall Zogaj noch etwas anderes gebracht: Irgendwie scheint man im Innenministerium sensibler geworden zu sein, was die Kommunikation nach außen betrifft. Die Pressesprecherin von Ex-Innenminister Günther Platter landete vor dem Untersuchungsausschuss, weil sie private Details über die Zogajs an die Medien weitergegeben haben soll. Heute heißt es aus dem Innenressort: "Laufende Fälle werden nicht kommentiert." Auch Platters Amtsnachfolgerin Maria Fekter hat aus dem "Rehaugen"-Desaster gelernt: Als 2010 die Familie Komani in aller Früh und vor den Augen der Medien abgeschoben wurde, reagierte sie schon deutlich milder und verabschiedete Richtlinien für "familienfreundliche Abschiebungen".