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Die Leiden der jungen Schüler und Lehrer

Von Karl Ettinger

Politik

Vier Probleme machen die Schulen zu Belastungszonen: Personalmangel da, mehr psychisch belastete Schulkinder dort.


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"Ich müsste auch Sozialarbeiterin, Psychologin, Therapeutin und Traumaspezialistin sein." Die engagierte Volksschullehrerin aus dem oberösterreichischen Zentralraum bringt auf den Punkt, welche Herausforderungen Lehrkräfte und Direktoren im Schulalltag zusätzlich zum Unterricht bewältigen müssen. Personalmangel und viele Überstunden bringen Schüler und Lehrpersonal nicht nur in diesen Frühsommertagen am meisten ins Schwitzen, wie ein Rundruf der "Wiener Zeitung" ergibt. Eine Woche vor der Zeugnisverteilung an den Schulen in Ostösterreich kämpfen aber auch viele Mädchen und Burschen mit psychischen Problemen, teilweise tragen dazu die Folgen der Rekordteuerung bei.

Der Personalmangel an Schulen verschärft sich

In Österreichs Schulen leiden Pädagoginnen und Schulleiter nach einhelliger Auskunft von aktivem Lehrpersonal, Direktoren und Lehrergewerkschaftern am meisten unter dem akuten Personalmangel. Bildungsminister Martin Polaschek hat zwar im Herbst des Vorjahres die Suche nach Nachwuchs für den Unterricht mit einer Kampagne verstärkt. Im Schulalltag müssen aber jene, die aktiv sind auch noch Ausfälle abfangen und verkraften. Das hat zur Folge, dass Pädagoginnen und Pädagogen die Personallücken mit bis zu 30 Stunden in Klassen kompensieren müssen statt der beispielsweise sonst üblichen 21 Stunden Unterricht an den Mittelschulen. Mit Vor- und Nachbereitung kommen damit Lehrkräfte deutlich über eine 40-Stunden-Woche.

Wie schwierig die Nachbesetzung im Pflichtschulbereich ist, zeigt ein Fall, den der rote Pflichtschullehrergewerkschafter Franz Bicek aus Linz schildert: Nach dem Ausfall einer Lehrkraft im November mitten im Schuljahr habe es bis Mai gedauert, bis eine Ersatzlehrkraft zur Verfügung gestanden ist. "Das Hauptproblem ist die Gesamtbelastung, die weit über dem Anschlag ist", fasst der Chef der Gewerkschaft der Pflichtschullehrer, Paul Kimberger, die Situation zusammen. Dem christlich-sozialen Lehrervertreter bereitet aber der Ausblick in die Zukunft noch mehr Kopfzerbrechen. Denn die Spitze des Mangels an Lehrpersonal sei erst 2026/27 zu erwarten. In den kommenden zehn Jahren würden rund 50 Prozent der österreichweit rund 120.000 Pädagogen in Pension gehen. Der Lehrerberuf sei jedoch "nicht mehr attraktiv", sodass zu wenig Nachwuchs nachkommt. Deshalb versucht Minister Polaschek nicht nur mit einer Werbekampagne, sondern auch mit dem Werben um Quereinsteiger in den Lehrberuf den akuten Personalmangel zu entschärfen.

"Grundsätzlich ist jede Aktion willkommen", betont Kimberger: "Aber Gott und die Welt sind auf der Suche nach Quereinsteigern." Außerdem löst die Aussage Polascheks, die Entwicklung bei den Lehrerzahlen sei wegen mehr Teilzeitkräften nicht absehbar gewesen, Kopfschütteln bei Lehrern aus. Auch die vermehrte Anstellung von Teilzeitkräften sei schon länger zu beobachten, heißt es. Nicht nur Personal fehlt. Bei den Abschlusskonferenzen mahnte so mancher Direktor zum Sparen, weil das Geld nicht reiche, wird geschildert.

Tausende fehlende Assistenzkräfte in den Schulen

Die Belastung der Schulleiter rührt auch daher, dass es in Österreich im internationalen Vergleich an Assistenzpersonal - in den Sekretariaten bis zu Sozialarbeitern und an Schulärzten fehlt. Bis zu 14.000 Vollzeitarbeitskräfte würden damit im Vergleich zum Schnitt der OECD-Industriestaaten fehlen, rechneten Lehrergewerkschafter vor. Zwar hat bereits Polascheks Vorgänger als Bildungsminister, Heinz Fassmann, nach dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 damit begonnen, beim AMS vorgemerkte Arbeitslose zur Unterstützung der Direktorinnen und Direktoren vor allem in den Pflichtschulen (Volks-, Mittel- und Sonderschulen) zu engagieren. Die Idee fand zunächst vor allem in Wien und Niederösterreich Anklang. In Oberösterreich, wo es Personal für Schulen ab 200 Schülern gibt, wurde die Aktion inzwischen wieder verlängert.

Besonders schmerzlich werden in den Schulen aber Sozialarbeiterinnen, Psychologen und Schulärzte vermisst. Diese wären gerade jetzt auch notwendig, um die Folgen der Isolation während der Corona-Pandemie aufzuarbeiten. Auch wenn die Zahl der Schulpsychologen auf rund 180 aufgestockt wurde, erhöht das Fehlen speziell dieser Assistenzberufe den Druck auf die einzelnen Lehrer und macht die Schule zu Druckkochtöpfen, in denen Lehrerinnen im Unterricht manchmal nicht mehr wissen, wie sie einige Kinder in ihren Klassen so beschäftigen, dass die Mitschüler möglichst wenig gestört und in der Lernentwicklung aufgehalten werden.

Schüler, bisweilen auch deren Eltern, seien aggressiver geworden, schildert eine langgediente Lehrerin. Die Pandemie hat negative Spuren bei Basisfunktionen wie Schneiden oder Fünf-Minuten-ruhig-Sitzen hinterlassen, analysiert eine Volksschullehrerin. "Die Schulen haben das Gefühl, dass sie allein gelassen werden", beklagt Lehrergewerkschafter Kimberger. Seitens der Schulbehörden sei "so viel Unverständnis" da, assistiert Bicek. Gerade im Pflichtschulbereich mangle es auch an Schulärzten. Beispiel aus Linz: nach einer Gefährdungsmeldung wegen einer Schülermisshandlung aufgrund der Aussage eines Kindes sei es schwierig gewesen, einen Schularzt für eine Begutachtung zu finden. In den Bundesschulen, also den höheren Schulen, sei die Situation etwas besser.

Psychische Belastung der Schüler hat zugenommen

Der Eindruck, dass sich nach der Corona-Pandemie vermehrt psychische Probleme bei Schülern zeigen, wird von theurapeutischer Seite bestätigt. "Mein jüngster Patient ist fünf", sagt Ines Kubik, Psychotherapeutin in Ausbildung unter Supervision (Psychoanalyse) und Praxisleiterin in Wien-Floridsdorf. "Auf alle Fälle haben Angstzustände und Panikstörungen zugenommen", erläutert sie.

Auch soziale Phobien wie Angst vor der Gesellschaft oder Schlafstörungen haben bei Schulkindern zugenommen. Gleichzeitig beklagt Kubik, dass bei der Behandlung ein weiteres Problem dazukommt: "Es gibt viel zu wenig psychotherapeutische Versorgung als Kassenleistung in Österreich." Gerade in den Pflichtschulen hat der Lernfortschritt gelitten. "Jetzt geht es um das Aufholen von Lücken in den Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen", formuliert die Psychotherapeutin, die zugleich Lehrerin an einer Mittelschule ist. Bicek hat zuletzt angesichts der Rekordteuerung ein weiteres Phänomen beobachtet: Schulkinder aus Haushalten mit Migrationshintergrund und mit sozial schwachen Eltern würden zunehmend dadurch belastet, dass daheim das Geld wegen der Teuerung nicht mehr reiche und die Kinder das auch spüren.

Ärger über Entwicklung durch Schulreformen

Für Kimberger kommen außerdem "völlig verkorkste" Schulreformen dazu. Dazu gehöre die Bildungsreform 2017 mit neuen Strukturen durch den Umbau von den Landesschulräten zu Bildungsdirektionen in den Bundesländern. In Wien hat der oberste Personalvertreter der Pflichtschullehrer, Thomas Krebs, deswegen einen Reformstopp gefordert. Ein Teil der Pädagogen kritisiert weiter die getrennten Deutschförderklassen, die von ÖVP und FPÖ beschlossen wurden. Diese seien "eine Katastrophe". Einig sind sich Lehrerschaft und Schulleitungen in einem: die Schule ersticke inzwischen an - teils völlig unnötigen - bürokratischen Vorgaben, die etwa Direktoren statt Unterricht vornehmen müssten.