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Die Leiden der Praktikanten

Von Andrea Möchel

Wirtschaft

Viele Schüler fühlen sich ausgenutzt - an Verbesserungen wird gearbeitet.


Wien. Monika R.* war überglücklich. Nach langer Suche hatte die Schülerin an einer Höheren Technischen Bundeslehranstalt doch noch einen Platz für ihr Pflichtpraktikum gefunden. Doch anstatt einer praktischen Ausbildung entsprechend dem Lehrplan durfte die angehende Informatikerin wochenlang Akten schleppen und Dokumente schreddern.

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Jugendliche in der Ausbildung: Oft herrschen schlampige Arbeitsverhältnisse.
© Foto: fotolia

Kein Einzelfall: Viele Jugendliche arbeiten in ihren Pflichtpraktika hart und werden, wenn es gut geht, mit einem Taschengeld abgespeist. So manche werden nicht einmal bei der Sozialversicherung angemeldet, andere ohne Einschulung an gefährliche Maschinen gestellt.

Auch wenn Lehrjahre keine Herrenjahre sind - müssen Pflichtpraktika deshalb in der Ausbeutung enden?

Knappes Angebot

Fast 19.000 Schülerinnen und Schüler berufsbildender Schulen müssen jährlich ein Pflichtpraktikum in einem Betrieb absolvieren. "Bei dieser großen Zahl von Bewerberinnen und Bewerbern um Praktikumsplätze können sich Jugendliche derzeit nur schwer gegen unfaire Arbeitsbedingungen wehren", sagt Gabriele Schmid, Leiterin der Abteilung Bildungspolitik in der Arbeiterkammer Wien. Und das Problem ist akut, denn ab dem Schuljahr 2014/15 müssen auch Schülerinnen und Schüler der Handelsakademien und Handelsschulen ein Pflichtpraktikum machen. Damit steigt die Zahl der Praktikantinnen und Praktikanten auf knapp 29.000.

Im Unterrichtsministerium versucht man zu beruhigen: "Gerade bei den Lehranstalten für Tourismus und für wirtschaftliche Berufe werden viele Schülerinnen und Schüler das Pflichtpraktikum im Ausland absolvieren", ist Pressesprecher Josef Galley überzeugt.

Die Jugendlichen selbst sehen die gängige Praxis bei Pflichtpraktika sehr kritisch. In der Jugendwertestudie, die vom Institut für Jugendkulturforschung 2011 durchgeführt wurde, klagten gut zwei Drittel der Befragten, dass "die meisten Betriebe Praktikanten nur als billige Arbeitskräfte benutzen".

Eine Umfrage der Arbeiterkammer unter 1500 Wiener und 540 steierischen Schülern ergab ein ähnliches Bild: Demnach wird ein Drittel der Pflichtpraktikanten als Hilfskraft ausgenutzt und lernt fachlich nichts. Ein Viertel kann die Erfahrungen aus der Arbeitswelt nicht in den Unterricht einbringen.

"Ein Pflichtpraktikum gehört zum Unterricht, also muss die fachliche Ausbildung statt billiger Hilfsarbeit im Vordergrund stehen", stellt AK-Bildungsexpertin Schmid klar. Geht es nach der Arbeiterkammer, sollte in den Lehrplänen der berufsbildenden Schulen verankert werden, dass Pflichtpraktika nur im Rahmen eines echten Dienstverhältnisses zulässig sind.

"Die Schulen werden vom Unterrichtsministerium immer wieder darauf hingewiesen, dass Praktikanten-Verträge für das Pflichtpraktikum dringend empfohlen werden", betont man dazu im Unterrichtsministerium.

Bleibt das Faktum, dass derzeit nur Praktikanten in der Gastronomie und im Tourismus ein Recht auf geregelte Arbeitsverhältnisse haben und damit unter anderem ein Anrecht auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

Jene Pflichtpraktikanten, die in einem bloßen "Ausbildungsverhältnis" stehen, haben hingegen weder ein Anrecht auf Lohn oder Gehalt nach dem Kollektivvertrag, noch auf Krankengeld. "Arbeiterkammer und Gewerkschaft sind seit längerem in intensiven Gesprächen mit der Abteilung Kaufmännische Schulen des Unterrichtsministeriums, um dort modellhaft zu zeigen, wie schulische Pflichtpraktika deutlich besser ausgestaltet werden können", hofft Schmid nun auf eine baldige Lösung der Misere.

Geordnete Verhältnisse

Die AK verlangt, dass Schulen und Betriebe Praktikumsbörsen einrichten, über die ein ausreichendes Platzangebot vermittelt werden kann. Außerdem sollen neben bundesweit einheitlichen Regeln für die Kooperation von Ausbildung und Arbeit die Schulen auch zur Vor- und Nachbereitung von Praktika verpflichtet werden.

Die wichtigste Forderung lautet jedoch, dass künftig nur Praktika im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses mit kollektivvertraglicher Entlohnung gesetzlich anerkannt werden sollen, und dass das auch in den Lehrplänen festgeschrieben wird.

"Wir wollen kein generelles Ende von Pflichtpraktika, aber die problematischen Praktika gehören abgeschafft", betont Schmid. "Pflichtpraktika sind sinnvoll, wenn sie fachlich adäquat und betreut sind und in der Schule vor- und nachbearbeitet werden. Dazu gehört aber auch, dass sie im Rahmen von echten Dienstverhältnissen mit voller Sozialversicherungspflicht stattfinden."

*Name der Redaktion bekannt

Tipps fürs Pflichtpraktikum
unter www.arbeiterkammer.at