Zum Hauptinhalt springen

Die Leinen los für Hillary Clinton

Von Henriette Löwisch Washington

Politik

· Für Hillary Clinton hieß es Sonntag "Leinen los": Nach monatelangem Vorgeplänkel erklärte sie in einem Vorort von New York offiziell ihre Kandidatur für den US-Senat. Für die | "First Lady" gibt es nun kein Zurück mehr hinter das Bollwerk des Weißen Hauses, und draußen kann sie kaum auf mildes Wetter hoffen. Die Kandidatin Hillary Clinton segelt gegen den Wind, denn im New | Yorker Bürgermeister Rudolph Giuliani trifft sie auf einen formidablen und skrupellosen Gegner.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 25 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Nach Eleanor Roosevelt ist Hillary Clinton die umstrittenste First Lady der jüngeren US-Geschichte. Als die erfolgreiche Anwältin 1993 an der Seite von Bill Clinton im Weißen Haus einzog,

galt sie zunächst als Paradebeispiel der modernen Karrierefrau, die auf eigenen Füßen steht und ihrem Ehemann eine echte Partnerin ist. Doch der Mythos vom Präsidentenpaar "im Doppelpack" fiel in

sich zusammen, als die ihr anvertraute Gesundheitsreform scheiterte und sie wegen der Whitewater-Immobilienaffäre gerichtlich vorgeladen wurde. Um für ihren Mann nicht zur politischen Belastung zu

werden, trat sie in den Hintergrund und zog fortan nur noch unsichtbar an den Fäden der Macht.

Die Verwandlung zur "Ersten Dame" im pastellfarbenen Kostüm · eine der zahlreichen Metamorphosen in ihrem Leben · zahlte sich für Hillary Clinton eine Zeitlang aus. Vor allem die perfekt erscheinende

Beziehung zu ihrer Tochter Chelsea trug in den Augen der US-Bürger viel zur Rehabilitierung der First Lady bei. Den Höhepunkt ihrer Popularität erreichte sie jedoch als Opfer: Dass sie die Affäre

ihres Mannes mit der Ex-Praktikantin Monica Lewinsky ertrug und trotzdem an seiner Seite blieb, schien ihre Landsleute zu beeindrucken. Dieser Mitleidseffekt ist inzwischen verraucht · sie machte den

Fehler, dem Präsidenten öffentlich zu verzeihen und sein Verhalten in einem Interview seiner schweren Kindheit zuzuschreiben.

Als Kandidatin trat Hillary Clinton seither in zahlreiche Fettnäpfchen. Vor allem mit außenpolitischen Äußerungen, die im Schmelztiegel New York von überdurchschnittlich großer Bedeutung

sind, hatte sie wenig Glück.

Ihr Rivale hackt unablässig darauf herum, dass sie in New York nur eine Zugereiste sei, weil sie erst vor kurzem ihren Wohnsitz dorthin verlegte. Eigentlich stammt die First Lady aus Chicago, doch in

New York bot sich die Gelegenheit, den populären demokratischen Senator Patrick Daniel Moynihan zu beerben. Seit Anfang des Jahres wohnt sie überwiegend in ihrem neuen Haus im New Yorker Vorort

Chappaqua. Ab heute will sie auf Wahlkampftour quer durch den Bundesstaat gehen · besonders im ländlichen New York hat sie ebenso viele Feinde wie Freunde.

Im Rennen gegen den Republikaner Giuliani muss Hillary Clinton um jede Stimme kämpfen. Die Wählerschaft ist stark polarisiert, nur wenige sind noch unentschieden. Jüngste Umfragen sehen den

Bürgermeister knapp vor der First Lady, obwohl ihr die New Yorker bei wichtigen Themen wie der Reform des Schulsystems mehr zutrauen als Giuliani. Der Meinungsforscher John Zogby prophezeit, dass die

Präsidentenfrau den Kampf verlieren wird, weil Demokraten in dem Bundesstaat traditionell schlechter abschneiden als Republikaner: "Ihre einzige Hoffnung ist, dass Rudy einen riesigen Fehler macht."