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Die letzte Etappe vor der Rezession in den USA

Von Nikolaj Schmidt

Gastkommentare
Nikolaj Schmidt ist internationaler Chefökonom beim US-Finanzdienstleistungsunternehmen T. Rowe Price.
© T. Rowe Price

Der Arbeitsmarkt ist der Schlüsselfaktor, den es genau zu beobachten gilt.


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Es gibt immer mehr Anzeichen dafür, dass die USA kurz vor einer Rezession stehen. Die letzte Phase auf dem Weg dorthin beinhaltet in der Regel eine Verschlechterung des Arbeitsmarkts. Zunächst geschieht dies langsam, aber plötzlich beschleunigt es sich so sehr, dass die Zentralbanken eingreifen und die Geldpolitik lockern. Die Finanzmärkte erwarten derzeit eine milde Rezession, doch die letzte Etappe der Reise könnte turbulenter und langwieriger werden, da sich der Arbeitsmarkt noch immer hält und keine entscheidenden Anzeichen für eine Verlangsamung zeigt. Darüber hinaus besteht die Herausforderung für die Wirtschaft darin, dass das Problem der US-Regionalbanken zwar gelöst zu sein scheint, wir aber noch nicht wissen, wie sich die Turbulenzen im regionalen Bankensektor auf die Kreditvergabe und die Bereitschaft der Banken zur Kreditvergabe auswirken werden. Es gibt jedoch auch Lichtblicke. Die früher als erwartet vorgenommenen Zinssenkungen der US-Notenbank Federal Reserve könnten eine Abkürzung aus einer möglichen Rezession darstellen. Es ist daher sehr zu begrüßen, dass die Zinserhöhungen tatsächlich vorerst vorbei sein dürften. Allerdings sollten wir uns nicht zu früh freuen.

Sinkende Energiepreise, nachlassende Engpässe auf der Angebotsseite und eine neue Covid-19-Politik in China haben dem globalen Wachstum zuletzt neuen Schwung verliehen und es von einem rezessiven Niveau weggeführt. Die Wirkung scheint aber leider nur von kurzer Dauer zu sein, denn das Wachstum scheint nicht zu greifen, und vieles deutet darauf hin, dass wir erneut auf einen Abschwung zusteuern. Da stellt sich die Frage, ob sich das Wachstum so stark verlangsamen wird, dass eine rezessive Dynamik einsetzt.

Im Gegensatz zu einer Wachstumsverlangsamung ist eine Rezession etwas schwerwiegender, da sie eine inhärente selbstverstärkende Kraft hat: Zunächst schwächt sich das Wachstum ab, was sich auf den Arbeitsmarkt auswirkt, der wiederum das Wachstum weiter schwächt, wodurch eine sich selbst verstärkende Abwärtsspirale der Rezession entsteht. Um diese Spirale zu beenden, bedarf es eines externen Schocks, meist in Form einer Lockerung der Geldpolitik, die Wachstum und Beschäftigung ankurbelt. Daher ist der Arbeitsmarkt der Schlüsselfaktor, den es genau zu beobachten gilt. In den USA sieht er oberflächlich betrachtet immer noch robust aus. Es gibt zwar bereits Anzeichen für Risse im Beschäftigungsfundament, aber wir sehen noch keinen Umschwung. Und wenn der Arbeitsmarkt nicht nachgibt, wird die Fed weiterhin eine straffe Geldpolitik verfolgen.

Ein weiterer Faktor, der zu einer Verschärfung der finanziellen Bedingungen beitragen wird, ist die Kreditpolitik der Banken. Obwohl die regionale Bankenkrise in den USA vernünftig gehandhabt wurde und die Behörden versichert haben, dass Einleger keine Verluste erleiden werden, bewerten die Banken ihre Geschäfte neu, und es ist zu erwarten, dass dieser Prozess in den kommenden Quartalen sowohl zu einer straffen Geldpolitik beitragen als auch diese verstärken wird, da der Zugang der Unternehmen und Bürger zu Krediten eingeschränkt wird.