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Die letzten Chancen für eine politische Lösung nutzen

Von Fritz Edlinger

Gastkommentare
Fritz Edlinger ist Generalsekretär der Gesellschaft für Österreichisch-Arabische Beziehungen.

Die UNO-Mission in Syrien kann zu einem Ende des Blutvergießens führen - die internationale Staatengemeinschaft muss aber bald handeln.


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Der Proteststurm im Orient gegen das antiislamische Machwerk christlich-fundamentalistischer Provokateure hat den seit nunmehr eineinhalb Jahren andauernden Bürgerkrieg in Syrien aus den Schlagzeilen verdrängt. Dennoch ist dieser Konflikt - wie der neue UN-Vermittler Lakhdar Brahimi zu Recht feststellte - geeignet, einen weltweiten Konflikt auszulösen. Ich möchte daher in aller Kürze einige Tatsachen in Erinnerung rufen:

Syrien befindet sich wie andere arabische Staaten (Irak, Libyen) seit vielen Jahren auf der Liste jener Staaten, in denen die USA einen Regimewechsel beabsichtigen. Syrien nützte es auch nicht, die US-geführte "Befreiung" des Irak unterstützt und seit der Machtübernahme Bashar al-Assads eine mehr oder minder neoliberale Wirtschaftsreform in die Wege geleitet zu haben. Seit dem 12. Dezember 2003 besitzt der "Syria Accountability Act" Gesetzeskraft in den USA. Zusätzlich flossen zig Millionen US-Dollar in den Aufbau von syrischen Oppositionsgruppen im Exil.

Die syrische Führung hat nach der Amtsübernahme Assads im Jahr 2000 zwar umfangreiche Reformen angekündigt, diese aber vor allem auf politischem Gebiet kaum vorangetrieben. Syriens Wesen als antidemokratische und korrupte Präsidialdiktatur hat sich nicht geändert.

Dennoch soll nicht unerwähnt bleiben, dass Syrien bis vor kurzem von vielen Staaten als relativ verlässlicher Partner und Garant für Stabilität geschätzt worden ist, so auch von Israel.

Das syrische Regime gilt trotz aller autoritärer Züge für manche Minderheiten in Syrien als "kleineres Übel" gegenüber einer Herrschaft der sunnitischen Mehrheit.

Die syrische Führung wurde vom Arabischen Frühling überrascht und hat völlig falsch - mit unangemessener Härte und Brutalität - reagiert. Damit hat sie einen wesentlichen Beitrag zur weiteren Eskalation geleistet.

Leider ist die Opposition sehr zersplittert und hat recht unterschiedliche Interessen. Ein Teil der bewaffneten Rebellen sind salafistische Terroristen. Diese werden in völlig unverantwortlicher Weise auch von angeblich pro-westlichen arabischen Staaten unterstützt.

Leider hat auch die parteiische Berichterstattung der westlichen Mainstream-Medien einen politischen Dialog erschwert.

Dadurch wurden auch die Chancen des Sechs-Punkte-Plans von Kofi Annan negativ beeinflusst.

Die Haltung der beiden ständigen Sicherheitsratsmitglieder China und Russland ist nach den Erfahrungen mit der bewussten Überinterpretation der UN-Resolutionen zu Libyen durchaus verständlich. Auch das ziemlich arrogante Vorgehen der USA in der UNO hat zu dieser Blockade beigetragen.

Somit stellt sich - trotz Kriegsverbrechen aller beteiligten Seiten in Syrien in den vergangenen Monaten - für die internationale Staatengemeinschaft die grundsätzliche Frage, ob sie einer weiteren Eskalation des Konfliktes mehr oder minder hilflos zusieht oder sich doch ernsthaft für eine Verhandlungslösung engagiert. Brahimis Mission ist die letzte Chance vor einem vervielfachten Blutvergießen.