Zum Hauptinhalt springen

Die letzten Klimakämpfer

Von Ronald Schönhuber

Politik

Die EU wird als Vorreiter pragmatisch und hofft auf ein Abkommen bis 2020.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Durban. Vor Kopenhagen hatte man durchaus mit Bewunderung auf Europa geblickt. Der Kontinent schien fest entschlossen, den vorhergesagten Kollaps des Weltklimas zu verhindern. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel reiste medienwirksam durch das Polareis in Grönland, um auf die Folgen der globalen Erwärmung aufmerksam zu machen, und die EU verschrieb sich einen Emissionsreduktionsplan, mit dem sie alle andere Länder weit hinter sich ließ. Bis 2020 will man den Treibhausgasausstoß um 20 Prozent gegenüber dem Basisjahr 1990 reduzieren. Falls die anderen großen CO2-Emittenten mitziehen würden, sollte der eigene Beitrag sogar auf 30 Prozent erhöht werden.

Doch davon war in Kopenhagen keine Rede. Der als entscheidender Wegpunkt gewertete Klimagipfel ging im Dezember 2009 statt mit der erhofften Verlängerung oder Erweiterung des Kyoto-Protokolls ohne substanzielle Vereinbarungen zu Ende. Auch beim Nachfolge-Treffen in Cancun im darauffolgenden Jahr blieben die Europäer mit ihrer Forderung nach einem internationalen und rechtsverbindlichen Klimaabkommen allein.

Das Angebot der EU, die 20-prozentige Emissionsreduktion auf 30 Prozent auszuweiten, besteht auch heute noch, doch vor dem am Montag beginnenden Klimagipfel im südafrikanischen Durban ist von der Zuversicht und dem Elan der ehemals so ambitionierten Europäer kaum noch etwas zu spüren. Vielmehr macht sich angesichts der fast schon hoffnungslos festgefahrenen Klimaverhandlungen Resignation und Verzweiflung bei den europäischen Entscheidungsträgern breit. "Ich fahre nun zu meiner achten Klimakonferenz, und ich hasse diese Sitzungen", verriet EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard der Wochenzeitung "Die Zeit". "Alles dauert unendlich lange." Das Prinzip widerspreche ihrem Charakter, schnelle Entscheidungen herbeizuführen. Auch Merkel gibt sich mittlerweile nicht mehr zuversichtlich, sondern skeptisch. Der weltweite Klimaschutz sei in einer "ausgesprochen schwierigen und unerfreulichen Situation", sagte die deutsche Kanzlerin unlängst vor dem Bundestag. Angesichts der Lage macht sich nun auch immer mehr Pragmatismus unter den Europäern bereit. Zwar wird noch immer der ehestmögliche Abschluss eines umfassenden Klimavertrages unter Einbindung der großen CO2-Sünder USA, China und Indien gefordert, doch als Zieldatum steht nun immer öfter das Jahr 2020 im Raum. In Durban, so hofft Hedegaard, könnte man sich immerhin auf einen entsprechenden Fahrplan einigen.

Um die anderen Länder dafür ins Boot zu holen, wollen die Europäer auch weitere Zugeständnisse machen. So ist die EU laut Hedegaard bereit, eine zweite Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls anzuhängen, wenn sich die anderen großen Emittenten bereit erklären, später einem umfassenden Weltklimaabkommen beizutreten. In der zweiten Kyoto-Runde wäre Europa aber wohl unter sich, nach dem Ausscheren von Russland, Kanada und Japan sind neben der EU nur noch Norwegen und die Schweiz zu einer Verlängerung bereit. Und für den globalen CO2-Ausstoß hat diese Gruppe kaum Bedeutung. Die Emissionen der EU machen nur knapp mehr als 10 Prozent aus, während allein China und die USA gemeinsam bei mehr als 40 Prozent liegen.

Ob und wie weit diese beiden Länder einem globalen Klimavertrag mittelfristig zustimmen, lässt sich derzeit allerdings nur schwer beurteilen. Laut dem Klima-Experten Stefan Schleicher hat China in den vergangenen Jahren zwar ein relativ hohes Problembewusstsein entwickelt und viel Geld in grüne Technologie gesteckt. Gleichzeitig ist die Volksrepublik aber nach wie vor davon überzeugt, dass die historische Hauptschuld am globalen CO2-Anstieg bei den Industrieländern liegt, die dementsprechend auch größere Einsparungen tragen müssten. In den USA wiederum liegen die ehemals hochtrabenden Reduktionspläne von Präsident Barack Obama auf Eis, nachdem die traditionell klimaschutzskeptischen Republikaner die Mehrheit im Repräsentantenhaus erobert haben. Einen Umschwung hat es aber mittlerweile in der Bevölkerung gegeben. Laut einer Umfrage des Gallup-Instiuts halten heute 55 Prozent der Amerikaner die Erderwärmung für eine "echte Bedrohung".