Deadline im Atomstreit mit Iran läuft Dienstag ab: Die Entscheidung wird erst kurz vor Mitternacht fallen.
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Lausanne/Teheran/Wien. "Die letzten Tage in Lausanne waren sehr anstrengend. Wir sind alle an unsere Grenzen gegangen. Ob es letztendlich reicht und wir am Mittwochmorgen mit einem Deal im Gepäck heimfliegen werden, kann ich ihnen nicht sagen", räumte ein Diplomat am Montag gegenüber der APA ein. Dennoch gab er an, dass im mehr als zwölf Jahre andauernden Atomstreit zwischen den fünf UN-Vetomächten (Frankreich, Großbritannien, China, USA und Russland) plus Deutschland sowie dem Iran zuletzt "viel Bewegung und positiver Spirit" gekommen sei. Die Verhandlungen seien inzwischen in einer "äußerst heiklen, sensiblen und entscheidenden Phase", unterstrich der Experte.
Am heutigen Dienstag um Mitternacht läuft die Frist für ein politisches Rahmenabkommen ab. Bis dahin will man Ergebnisse erzielen. Es geht darum, dass der Iran dem Westen glaubhafte und überprüfbare Garantien dafür gibt, dass sein Nuklearprogramm ausschließlich friedlich ist. Im Gegenzug will die internationale Staatengemeinschaft die für Teheran schmerzlichen Wirtschaftssanktionen schrittweise suspendieren.
Positive Signale gab es am Montag jedenfalls genug. Teherans enger Verbündeter Russland etwa ist optimistisch. Ein Sprecher des Kremls meinte, dass aus Lausanne "gute Signale" kämen, es aber noch zu früh sei, über Ergebnisse zu sprechen. Der Verhandlungsführer der russischen Delegation, Vize-Außenminister Sergej Rjabkow, äußerte sich gegenüber Journalisten ebenfalls sehr zuversichtlich. "Eine extrem intensive und sehr tiefgründige Sitzung der 5+1-Gruppe mit dem Iran hat an diesem Morgen stattgefunden. Die Hauptsache, die Optimismus aufkommen lässt, ist das Faktum, dass alle Minister entschlossen sind, in dieser aktuellen Verhandlungsrunde Ergebnisse zu erzielen", so der Diplomat.
Russlands Außenminister Sergej Lawrow flog am Montag aus der Schweiz vorübergehend nach Moskau zurück, wollte aber am Dienstag wieder nach Lausanne zurückkehren, "falls es eine realistische Chance für eine Einigung gibt", sagte eine Sprecherin des Ministers.
Erhebliche Differenzen bestehen weiterhin
"Sieben Außenminister und die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sind in der Schweiz, und Sie können davon ausgehen, dass wir alle ein Ergebnis erzielen wollen. Der politische Wille der anderen Seite wird letztlich entscheidend sein", meinte ein iranischer Diplomat.
Zuletzt hatten die Unterhändler zwar den Einigungswillen aller betont, aber auch von noch erheblichen Differenzen gesprochen. Wenn es gelingt, einen Rahmenkonsens zu erzielen, dann könnte bis 30. Juni, dem endgültigen Termin, die Ausarbeitung einer kompletten Lösung mit allen technischen Details erfolgen. Hierbei soll die Islamische Republik ihr Atomprogramm beschränken und umfangreiche Kontrollen der in Wien ansässigen Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) zulassen. Der Iran hat jegliche Absicht bestritten, eine Bombe zu bauen. Für ihn ist die Aufhebung der westlichen Wirtschaftssanktionen von zentraler Bedeutung.
Ein Vertrag wäre auch ein historischer Schritt in den Beziehungen der Islamischen Republik zum Westen und würde Teheran aus der Isolation hieven.
Die Aussicht auf eine Grundsatzeinigung belastet derweil die Ölpreise. Das Nordseeöl Brent verbilligte sich am Montag in der Spitze jeweils um mehr als zwei Prozent auf 55,30 Dollar je Fass. Im Falle einer Einigung mit dem Iran dürften die Sanktionen gelockert werden, damit würde zusätzliches Öl aus dem Iran auf den Markt drängen. Das bereits bestehende Überangebot dürfte also vergrößert werden.
Irans Joker Zarif
(af) Irans redegewandter Außenminister Mohammed Javad Zarif tritt wie Präsident Hassan Rohani unter dem Motto "Kooperation statt Konfrontation" gegenüber dem Westen auf, allen voran gegenüber Washington. Als Werkzeuge für die Versöhnung helfen ihm dabei die im Iran verbotenen sozialen Netzwerke wie Twitter, YouTube und Facebook.
Ihm ist es auch zu verdanken, dass man in Teheran nun diskutiert, ob die jahrzehntelang als Grundpfeiler des Systems geltenden "Tod Amerika" und "Nieder mit dem Großen Satan"-Rufe noch zeitgemäß sind.
Zarif, der in den USA Jus und Politikwissenschaft studierte, verfügt aus seiner Zeit als Vertreter seines Landes bei den Vereinten Nationen in New York über ausgezeichnete internationale Kontakte.
Dass er an der Uni Denver (Colorado) über "Sanktionen als Teil des internationalen Rechts" promovierte, ist eine Ironie des Schicksals. Denn in seiner jetzigen Rolle unternimmt der 55-jährige Politiker alles, um die Aufhebung derselben zu erwirken. Die Zwischeneinigung im seit vielen Jahren virulenten Nuklearkonflikt (November 2013) mit dem Westen wurde westlichen Diplomaten zufolge erst durch sein professionelles Herantreten an die Materie ermöglicht.
Seine Affinität zu Washington wäre ihm fast zum Verhängnis geworden. So musste er bei seinem Amtsantritt vor dem Parlament beteuern, dass er keine unbeschränkte Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis für die USA habe und seit dem Ende seiner UN-Tätigkeit nicht mehr in den USA gewesen sei. Auch seine Kinder seien im Iran und nicht in den USA, versicherte er. Einige Hardliner im Majles hatten ihm zuvor vorgeworfen, ein "Vasall" Washingtons zu sein.