In Katalonien spalten sich die Seperatisten in Realos und Hardliner auf.
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Barcelona/Brüssel. "Wir erleben einmal mehr die letzten Tage der Republik." Wenn der abgesetzte katalanische Regierungschef Carles Puigdemont das Wort ergreift, geht es nicht ohne Pathos zu. Es handelt sich um eine WhatsApp-Nachricht, die der spanische TV-Sender Telecinco am Mittwoch zufällig mitfilmte - und zwar am Bildschirm des Adressaten der Nachricht, Ex-Minister Toni Comín. Sein Referenzwert, diese letzten Tage der Republik, dürfte übrigens im 19.Jahrhundert liegen - als Katalonien in den spanischen Staat eingegliedert wurde.
Zurück in der Jetztzeit, im Internet-basierten Nachrichtendienst, schrieb Puigdemont weiter: "Der Plan von Moncloa (Regierungssitz in Madrid, Anm.) ist aufgegangen." Und setzte anklagend in einer weiteren Nachricht nach: "Ich nehme an, es ist dir bewusst, dass es vorbei ist. Die Unsrigen haben uns geopfert. Zumindest mich." Tomín hat sich mit Puigdemont nach Brüssel gerettet. Er ist aber bei der Wahl im Dezember für die Linksrepublikaner der ERC (Esquerra Republicana) angetreten. Etwas bitter liest sich auch der nächste Satz von Puigdemont: "Ihr werdet jetzt Minister (das erwarte ich und wünsche ich euch auch), aber ich wurde geopfert, so wie es Tardà (Joan Tardà, ein ERC-Politiker, Anm.) vorgeschlagen hat." Er, Puigdemont, werde sich jetzt darum kümmern, sein Leben wieder in Ordnung zu bringen und seinen Ruf zu kitten. Schließlich hätte er in den vergangenen zwei Jahren vieles an Verleumdungen und Lügen ertragen, der gemeinsamen Sache wegen. Das sei jetzt vorbei, schreibt Puigdemont. Nun werde er sein Leben der eigenen Verteidigung widmen.
Auf Twitter beeilte sich Puigdemont, seine Anhänger wissen zu lassen, er habe zwar manchmal Zweifel, aber er werde weitermachen.
Wie konnte es so weit kommen? Zur Erinnerung: Bei den vorgezogenen Neuwahlen am 21.Dezember konnte der separatistische Block in Katalonien zusammen einmal mehr die meisten Sitze im Parlament ergattern. Puigdemonts Partei "Junts per Catalunya" wurde in diesem Block die stärkste Kraft, gefolgt von den moderateren Linksrepublikanern der ERC, abgeschlagen lag die linksradikale CUP (Candidatura d’Unitat Popular). Absolut stärkste Kraft wurden die Ciudadanos, die sich vehement gegen eine Abspaltung Kataloniens aussprechen. Die haben allerdings nicht die notwendigen Bündnispartner für eine Parlamentsmehrheit.
In den vergangenen Tagen kam es zu einer Pattsituation: Der separatistische Block wählte einen ERC-Politiker, Roger Torrent, zum Parlamentspräsidenten, der wiederum Puigdemont zum Präsidenten küren sollte. Soweit der Plan. Doch der kann zur Inauguration nicht physisch erscheinen, da in Spanien ein Haftbefehl gegen ihn ausgeschrieben ist. Das Verfassungsgericht verbot am Wochenende klar eine Amtseinführung ohne physische Anwesenheit. Und der Parlamentspräsident der ERC fällte am Dienstag eine Entscheidung, die ihm aus den Reihen Puigdemonts und der CUP als Rückzieher ausgelegt worden war. Denn Torrent beschloss, dass er mit der Regierungsbildung warten werde, bis das Verfassungsgericht nach Einsprüchen nochmals über das Anforderungsprofil eines katalanischen Präsidenten Stellung nimmt.
Pragmatismus bei der ERC
Bis dahin werde es keine Regierungsbildung geben. Das war Torrent vonseiten Puigdemonts und der CUP als Einknicken vor Madrid ausgelegt worden. Beide sahen den Weg des zivilen Ungehorsams als einzige Möglichkeit.
Die Partei der ERC will hingegen eine funktionierende Regierung in Katalonien. Dann erst werde die Zwangsverwaltung durch Madrid beendet. Und erst dann werde es wohl Möglichkeiten für die noch inhaftierten Politiker geben, endlich freizukommen. Unter anderem sitzt der ERC-Vorsitzende (und ehemalige Vizepräsident) Oriol Junqueras noch immer im Gefängnis. Seit Anfang November. Das ist die Antwort der Justiz, dass Puigdemont vergangenen Oktober die Republik ausgerufen hatte, auch wenn er es nicht mit einer Unabhängigkeitserklärung gleichsetzen wollte. Was daraufhin folgte, ist bekannt: Der Entzug des Autonomiestatuts durch die spanische Hauptstadt sowie die Absetzung der katalanischen Regierung - inklusive der Verhängung der U-Haft über all jenen, die sich nicht ins Ausland gerettet hatten. So wie Puigdemont und vier weitere der abgesetzten Minister.
Die Tageszeitung "El Pais" berichtete unterdessen, dass die Justiz spätestens im März Puigdemont und die anderen abgesetzten Minister formal mit dem Delikt der Rebellion belasten werde. Dann können sie gar keine öffentlichen Ämter mehr antreten.