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Die liebe Großfamilie

Von Gerald Schmickl

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Der englische Anthropologe Robin Dunbar hat erforscht, dass für Menschen Gruppengrößen von 150 Mitgliedern eine Art "natürliche Konstante" darstellen. Quer durch die Geschichte haben sich jeweils

· von Stämmen über Dörfer bis zu Firmen · Gruppen dieser gerade noch überschaubaren Größe am besten bewährt. Auch der Gegenwartsmensch ist evolutiv darauf getrimmt, kommt aber aufgrund

isolationistischer Tendenzen, zumal in Großstädten, kaum mehr auf "natürlichem Wege" zu solch umfangreichen Gemeinschaften. Dafür springt das Fernsehen ein: mit Hilfe von Serien und ihren Darstellern

wird die geschrumpfte Kleingruppe zur Großgruppe fiktionalisiert. Man holt sich sozusagen fehlendes Personal per Knopfdruck ins Haus.

Erklärt diese These nicht wunderbar, weshalb wir Sonntag für Sonntag einen Inspektor mit zerknautschtem Regenmantel in unsere Wohnungen lassen, obwohl wir seine gefinkelt gelösten Kriminalfälle alle

schon x-mal gesehen haben? Columbo gehört einfach zur Familie, ist ein entfernter Verwandter, dessen regelmäßige Besuche uns eine Art Geborgenheit vermitteln. Und er ist nicht der Einzige: Stefan

Derrick ist unter der Woche nun wieder täglich (16 Uhr, ORF 2) zu Gast; am Donnerstag kommt zuerst die ganze Kaisermühlen-Sippe, danach der Kottan-Clan · und neuerdings am Freitag spätabends auch

wieder der vertrottelte Stockinger, selbst er gehört nun beim Zweitbesuch "dazu". Die Wiederholungsmanie des ORF erweist sich so weniger als programmatische Verlegenheitslösung denn als

Großfamilienplanung.