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Die Liebe heilt nicht alle Wunden

Von Eva Stanzl

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Die Nachricht erstaunt, erfreut und berührt: Forscher konnten nachweisen, dass liebende Fürsorge und Herzenswärme tatsächlich Berge versetzen. Der Hintergrund: Menschen in ärmlichen Verhältnissen erkranken öfter an Diabetes, Herz-Kreislaufleiden und Krebs. Zudem haben Kinder unterprivilegierter Familien weniger Chancen auf eine gute Ausbildung und können schwerer ihrer sozialen Schicht entfliehen. Erstaunlicherweise können arme, aber besonders fürsorgliche Mütter den Trend jedoch außer Kraft setzen: Ihre Kinder sind später so gesund wie wohlhabendere Teile der Bevölkerung, schaffen es leichter nach oben und spüren weniger Überlebensstress, so die US-Forscher.

Super. Solange niemand auf die Idee kommt, dass liebende Hinwendung soziale Leistungen der Armutsbekämpfung ersetzen könne. Die Studienautoren verglichen Daten eines US-Hilfsprogramms zur Verbesserung der Lebensumstände von Familien unter dem Existenzminimum. Unter Anleitung erlernten die Teilnehmer, mit widrigen Lebensumständen umzugehen, waren also gewissermaßen "privilegierte Arme". Fraglich ist aber, ob auch Unterprivilegierte ohne Zugang zu dem Programm ihre Gefühle so offen und beständig zeigen können, dass ihre Kinder genug Selbstsicherheit und innere Stabilität aufbauen, um auf dem Weg nach oben zu bestehen. Vermutlich nicht. Denn selbst die Liebe gedeiht in materieller Sicherheit. Wer ums Überleben kämpft, wird neidisch auf jene mit Geld in Hülle und Fülle. Verständlich dann auch Gefühle von Hass - die Konflikte erzeugen und die Spirale wieder nach unten drehen.