Informationsfreiheit versus Amtsgeheimnis - Wie die Freiheit der Information den Kampf gegen das Amtsgeheimnis verliert und mit ihr der Bürger sein erhofftes Recht auf Information.
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Seit 2014 befasst sich der Nationalrat mit einem Gesetzesentwurf zur Informationsfreiheit. Der Bürger soll ein Recht auf Zugang zu Informationen erhalten und im zwingenden Umkehrschluss dem "guten alten" Amtsgeheimnis auf gut Wienerisch zu Leibe gerückt und der Garaus gemacht werden. Wollte man meinen - doch mitnichten: Der vorliegende Entwurf lässt eine Zementierung der Amtsverschwiegenheit im neuen Kleide eines "Ausnahmekatalogs" befürchten. Im Paragraf 6 des Entwurfs, der bezeichnenderweise mit "Geheimhaltung" übertitelt ist, findet sich eine überlange Liste an Umständen (Gründen und Interessen), die ein Amtsgeheimnis begründen.<p>Die jüngst diskutierten Beispiele, wann die zahlreichen Ausnahmebestimmungen des Paragrafen 6 des Entwurfs greifen sollen, sind alarmierend, wenngleich nicht überraschend, denn der Ausnahmekatalog wurde schon in seiner ersten Fassung denkbar weit gefasst. Er könnte weiter kaum sein: Zwingende außen- oder integrationspolitische Gründe, nationale Sicherheit, Landesverteidigung, öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit, unbeeinträchtigte Vorbereitung von Entscheidungenund auch bloß "wirtschaftliche oder finanzielle Interessen" der Organe oder Gebietskörperschaften sowie viele andere Gründe beziehungsweise Interessen rechtfertigen es, die gewünschte Information gemäß Paragraf 6 geheim zu halten. Genau dort endet somit die Informationsfreiheit. Wer den Katalog genau studiert, ist nicht verwundert, aber zu Recht verärgert und enttäuscht. Die medial diskutierten Beispiele wie die geforderte Offenlegung des Beratervertrags mit Gemeinde XY oder des Vertrags zur Errichtung kilometerlanger Lärmschutzwände als Zierde unserer Autobahnen verdeutlichen das Ausmaß des geplanten Maulkorbs für die Informationsfreiheit.
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Vorwand für Aufrechterhaltung des Status quo
<p>Wenn aus bloß "wirtschaftlichen oder finanziellen Interessen der Organe" Informationen geheim gehalten werden dürfen, dann ist de facto keine Überprüfung des wirtschaftlichen Gebarens und Wirkens des Staates möglich. Die geplante Gesetzesänderung wird zum Vorwand für die Aufrechterhaltung des Status quo, wenn nicht sogar zu einem Rückschritt durch die ausdrückliche Kodifizierung bestimmter "Gründe" und "Interessen", die der Rechtfertigung staatlicher Intransparenz dienen.<p>Damit verpasst Österreich - auch aus dem Blickwinkel der Attraktivität eines Wirtschaftsstandortes - eine gewaltige Chance. In Zeiten, in denen Compliance für international agierende Unternehmen einen immer höheren Stellenwert einnimmt, wird auch die Standortwahl von Überlegungen zum gesetzlichen Umfeld getragen. Nicht ohne Grund sind zum Beispiel die nordischen Staaten Europas in den Erhebungen der Korruptionswahrnehmung in führender Position. Das gelingt diesen Staaten vor allem mit einem klaren Bekenntnis zu Transparenz, das in der gesetzgeberischen Tätigkeit konsequent umgesetzt wird.<p>Wer Transparenz schafft, schafft auch Vertrauen. Denn nicht jeder Beratervertrag ist überteuert und ein Freundschaftsdienst, und nicht jedes Joint Venture ist ein Mittel zur Kanalisierung von Schmiergeldzahlungen an die Entscheidungsträger. Wer seine Gebarungen aber vor der Öffentlichkeit versteckt, der wird - so die allgemeine Schlussfolgerung - wohl seinen Grund dafür haben. Heimlichkeit schürt Misstrauen. In Projekten wie "die transparente Gemeinde" werden die Bürger via Internet Zeugen der Auftragsvergabe, von der ersten Anbotseinholung über die Vergabe und Auftragsausführung bis hin zur Abnahme des Auftrags. Es zeigt sich, dass diese volle Transparenz bei der Auftragsvergabe hilft, das Vertrauen der Bürger in die Rechtmäßigkeit der innergemeindlichen Vorgänge massiv zu stärken. Gleichzeitig steigt das Ansehen der betroffenen Gemeindepolitiker, die für Transparenz sorgen und im täglichen Walten fair, wirtschaftlich, zweckmäßig, sparsam und überprüfbar handeln.<p>
Transparenz ist der wahre Feind der Korruption
<p>Das Informationsfreiheitsgesetz entspricht daher seiner Idee nach auch einer langjährigen Forderung nach mehr Transparenz im Kampf gegen Korruption. Wenn es aber durch einen Ausnahmekatalog gänzlich ausgehöhlt wird, dann wird der Korruptionsbekämpfung an einer entscheidenden Stelle ein schlechter Dienst erwiesen. Ähnlich wie - doch eher unerwartet - um die Verlängerung der Kronzeugenregelung gekämpft werden musste, deren Ende mit Ablauf des Jahres 2016 drohte, zeigt sich auch hier: Gewisse Kräfte im Land wollen den Mantel des Schweigens über Vorgänge hüllen, die ins Licht der Öffentlichkeit gerückt werden sollten.<p>Dabei sind das nicht notwendigerweise immer jene Kräfte, die sich die geschaffene und geduldete Intransparenz zum persönlichen Vorteil machen (wollen). Zum Teil wird das Amtsgeheimnis in der österreichischen Verwaltung schlicht als althergebrachte Institution gesehen, deren Aufgabe Unsicherheit bewirkt und - auch bei redlich Agierenden - irrationale Ängste schürt. Diesen Schritt muss Österreich aber gehen, wenn es im Kampf gegen Korruption vorwärtskommen will, und zwar in mutiger Form. Der eingeschlagene Modus, zwei Schritte vor und drei zurückzugehen, fügt Schaden zu, denn unterm Strich ist allem voran die Transparenz der wahre Feind der Korruption.<p>Allein das Wissen um die Zugangsmöglichkeiten der Öffentlichkeit zu Informationen ist geeignet, künftiges Verhalten zu steuern. Wer weiß, dass an der Ecke XY eine Radarbox aufgestellt ist, überwacht sein eigenes Verhalten ganz bewusst, geht vom Gas und be(ob)achtet die Geschwindigkeitsanzeige.<p>
Ansehen der Gesetzestreuen beim Bürger steigt
<p>Ebenso steuert das Wissen um die - vom Bürger so dringend eingeforderte - Transparenz ein Verhalten, das Gesetzestreue und dessen Be(ob)achtung bewirkt. Als besondere Belohnung steigert es auch noch das Ansehen jener, die ihr Amt ohnedies gesetzestreu ausüben. Ihre Redlichkeit wird dank der durch ein mutiges Informationsfreiheitsgesetz geschaffenen Transparenz für die Öffentlichkeit sichtbar. Eine Win-win-Situation könnte entstehen, die nur zulasten der Unredlichen geht.<p>Was es also braucht, sind Gesetzesmacher, die den mutigen Schritt für Österreich wagen und den besagten Ausnahmekatalog radikal kürzen. Weitere Forderungen von Transparency International Austrian Chapter betreffen die Gesetzgebungskompetenz: Diese sollte beim Bund liegen. Wir brauchen keine neun verschiedenen Gesetze. Ein einheitliches Bundesgesetz soll für ganz Österreich Klarheit schaffen.<p>Ferner sollte, wie auch in Deutschland praktiziert, ein Informationsbeauftragter als Organ zur Sicherung des Rechts auf Informationsfreiheit eingerichtet werden. Mit diesen Änderungen könnte die Gesetzgebung einen signifikanten Beitrag im Kampf gegen Korruption leisten, statt sich mit einer Alibilösung zu begnügen, die denselben abgetragenen, alten Mantel des Schweigens bloß auf einen neuen Kleiderbügel hängt. Der alte Mantel gehört ausgemustert. Die MA 48 und Herr und Frau Österreicher warten.
Bettina Knötzl ist Präsidentin des Beirats von Transparency International - Austrian Chapter und Rechtsanwältin und Partnerin bei Knoetzl Haugeneder Netal Rechtsanwälte GmbH.