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Wiens Grüne werden der türkis-grünen Bundesregierung härtere Zeiten bereiten.
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"Pass gut auf auf unsere Stadt." Mit diesem Appell an den wiedergewählten Bürgermeister und bisherigen SPÖ-Koalitionspartner Michael Ludwig hat sich die grüne Vizebürgermeisterin Birgit Hebein am Dienstag aus dem Rathaus verabschiedet. "Es hat als visionäres politisches Experiment begonnen und es ist geglückt", bilanzierte sie zum Ende der zehnjährigen rot-grünen Stadtregierung. Die Grünen wechseln auf die Oppositionsbank.
Es fällt auch das in Regierungsverantwortung befindliche starke linke Standbein als Ausgleich zur türkis-grünen Bundesregierung weg. Der Chef der Bundes-Grünen, Vizekanzler Werner Kogler, muss mit einem raueren Lüfterl der Grünen aus der Bundeshauptstadt für die Zusammenarbeit mit der Bundeskanzler Sebastian Kurz und der ÖVP rechnen. Rot-Grün in Wien war auch das Gegenstück zu den schwarz-grünen Landesregierungen von Salzburg über Tirol bis Vorarlberg.
Was Kogler Kopfzerbrechen bereiten muss? Die von ihren Parteifreunden trotz des besten Wiener Wahlergebnisses demontierte Birgit Hebein war eine Art menschlicher Schutzschild für Kogler gegenüber der starken Wiener Landesgruppe. Sie ist im Herbst des Vorjahres als Koalitionsverhandlerin für Türkis-Grün im Bund für Sozialpolitik geholt worden. Mit dem Sanktus zum Regierungspakt mit der ÖVP war auch Hebein als Mitverhandlerin besonders an das Abkommen gebunden. Nun hat sie schon deutlich gemacht, dass mit weniger Zurückhaltung gegenüber der Bundespolitik zu rechnen ist. "Kritischer Diskurs" hat sie das genannt.
Antiterrorpakt wirdzur ersten Bewährungsprobe
Die erste Bewährungsprobe steht bald bevor, und zwar in Form des von der Bundesregierung angekündigten Antiterrorpakets, mit dem nach dem Terroranschlag in der Wiener Innenstadt mit verschärften Maßnahmen für Extremisten reagiert wird. Erste Gesetzesentwürfe wurden für Dezember versprochen. Die ÖVP gibt dabei den Takt vor. So will Kurz islamistische Extremisten, die auch nach einer Haft Gefährder sind, wie geistig abnorme Rechtsbrecher "wegsperren". Das sorgte nicht nur bei Strafrechtsexperten für Widerstand, sondern auch für Bauchweh bei den Grünen, die auf eine Einhaltung der Menschenrechtskonvention drängen. Mit umso mehr Spannung werden konkrete Bestimmungen zu dieser Sonderhaft erwartet.
In grünen Regierungskreisen auf Bundesebene wird dennoch versichert, dass keine unmittelbaren Auswirkungen von Wiens Grünen für die Arbeit der Bundes-Koalition zu erwarten seien. Denn die am weitesten im Spektrum links verankerte Landesgruppe sei schon bisher "sehr offen in der Kommunikation" gewesen. Hauptgegner werde die neue rot-pinke Stadtregierung sein.
Kontrastierende Flüchtlingspolitik
Auch in der Flüchtlingspolitik haben Wiens Grüne und die SPÖ mit dem Angebot, 100 Asylsuchende aus dem Lager Moria in Griechenland aufzunehmen, eine offensivere Gangart an den Tag gelegt. Im Bund hat die ÖVP den kleinen grünen Koalitionspartner mit einer Abfuhr zur Aufnahme von Flüchtlingen auflaufen lassen.
Erschwerend kommt für Kogler hinzu, dass die Wiener Landesgruppe unberechenbarer wird. Als sicher gilt, dass die Grünen ihren kantigeren Oppositionskurs deutlich links von der rot-pinken Stadtregierung einschlagen werden. Allerdings müssen sich der nun von Veteran David Ellensohn geführte Rathausklub und Teile der Basis erst zusammenraufen. Hebein hat diagnostiziert, ein "Riss" gehe durch die Partei. Der grüne Ex-Parlamentsklubchef Albert Steinhauser hat Hebein nach ihrem Sturz als "Opfer übler parteipolitischer Intrige" eingestuft. Die Situation der Grünen entspricht den frostigen Temperaturen außerhalb des Rathauses.