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Die Linke und ihr Haken

Von Bettina Figl

Politik

Der Schwarze Block durfte bei Demo in Linz nur hinten mitmarschieren.


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Wien/Linz. Mit Gewalt ist nicht zu scherzen. Trotzdem beginnt dieser Artikel mit dem fiktiven Beispiel, wie ein Interview zum Thema Gewalt verlaufen könnte, wenn man einem konsequenten Interviewpartner gegenübersitzt: "Ist Gewalt ein legitimes Mittel, um eine Botschaft zu vermitteln?" "Ja", antwortet der Interviewte und schlägt der Journalistin mit der Faust ins Gesicht.

In Anschluss an antifaschistische Demonstrationen in den vergangenen Wochen ist viel über Gewalt diskutiert worden. Während die Demonstration gegen den Burschenschafterball in Linz am Samstag für Medien kaum interessant war ("es ist ja nichts passiert"), wurde derjenigen gegen den Akademikerball* medial reichlich Platz gegeben. Da ist ja auch etwas passiert; Fensterscheiben wurden eingeschlagen, es gab Verletzte aufseiten der Polizei wie der Demonstranten.

Die Linke und die Gewalt

Anstatt darüber zu diskutieren, ob und warum in der Hofburg - immerhin Räumlichkeiten der Republik - ein Netzwerktreffen der europäischen Rechtsextreme stattfinden darf, wurde also die Gewalt bei der Demo gegen dieses Treffen verurteilt. Wir erinnern uns: Auf nowkr.at vernetzte sich die autonome Szene, bezahlt wurde die Domain von den Jungen Grünen. Ihnen drohte die Parteichefin Eva Glawischnig daraufhin mit dem Rauswurf aus der Partei, die Reaktion der jungen Basis war trotzig. Auch Demo-Organisatoren, die Grün-Abgeordnete Sigrid Maurer oder der grüne Wiener Gemeinderat Klaus Werner-Lobo**, taten sich schwer, sich vom sogenannten Schwarzen Block zu distanzieren. Slogans wie "Es wurde noch kein autoritäres System weggekuschelt" kursierten in Medien.

Warum fällt es den Linken so schwer, Gewalt abzulehnen? "Für die Organisatoren sind die zerbrochenen Scheiben nicht das Wichtigste an der Demonstration. Das ist eine Außenperspektive, die man mit einer öffentlichen Distanzierung stützen würde", sagt Simon Teune vom Institut für Protest- und Bewegungsforschung der TU Berlin. "Außerdem geht mit so einer Positionierung die Kritik an der Polizei unter (die etwa Pfeffersprays eingesetzt hat, Anm. d. Red.)." Das heißt aber nicht, dass die Organisatoren von Steinwürfen begeistert sind."

Und am Allerwenigsten will die Linke, dass es gelingt, sie zu spalten. Blickt man nach Linz, könnte man meinen, dies sei schon passiert: Am Samstag demonstrierten zwischen 700 und 1000 Menschen gegen den Burschenbundball. Das Bündnis "Linz gegen Rechts" wollte sich von Gewalt abgrenzen, indem es mit einigen Vertretern dafür sorgten, dass nicht alle gemeinsam demonstrierten: Der Schwarze Block wurde am Losmarschieren gehindert und musste mit viel Abstand hinter der Demo herschleichen. Ein Affront gegen die Radikalen, die schwarz maskiert das Vermummungsverbot unterwandern und in Wien die Demo anführten. Doch der Schwarze Block ist keine Einheit: "Steinewerfen ist auch für jene im Schwarzen Block nicht selbstverständlich", sagt Teune.

"Darüber wird in der Szene kontrovers diskutiert. Es gibt aber eine kleine Gruppe, die das fast umstandslos befürwortet." Für Robert Foltin, Autor vieler Bücher über soziale Bewegungen, ist die schwarze Kleidung eine subkulturelle Modeerscheinung, die nicht überzubewerten sei, aber: "Die Außenwirkung ist nicht gut. Sie hat etwas Abgrenzendes."

Es geht, wie bereits angesprochen, immer auch darum, eine Öffentlichkeit zu erreichen. Und dafür ist etwa Vandalismus ein probates Mittel. "Wären nur wenige Autos beschädigt worden und hätte es den Schwarzen Block nicht gegeben, wäre die Berichterstattung ähnlich gewesen. Die Forderung zur Distanzierung hätte es genauso gegeben wie die Aufregung um das Lied ,Unseren Hass könnt ihr haben‘", so Foltin.

"Steinewerfen gehört dazu"

Er beschreibt Steinewerfen als "proletarische Kommunikationsform", für ihn gehört dies zu Demos "einfach dazu." Anders klingt das, wenig überraschend, aus dem Mund von Franz Schnabl, ehemals Wiener Polizeichef, der sagt, jeder Aktivist müsse sich fragen: "Will ich, dass die Scheibe meines Autos eingeschlagen wird? Will ich einen Stein auf den Kopf bekommen?" Schnabl hat die Opernballdemos Ende der 1980er und die Donnerstagsdemos 2000 begleitet, zum aktuellen Akademikerball will er nichts sagen. Teune betont, Gewalt gegen die Polizei sei in den seltensten Fällen anlasslos. In der Linken gelten Einschüchterung oder Behinderung als Voraussetzung dafür, einen Angriff auf die Polizei zu legitimieren.

Laut dem Soziologen besteht ein Unterschied zwischen linker und rechter Gewalt: "In der Radikalen Rechten ist es kein Tabu, Menschen anzugreifen, das gehört zum Alltag." In der Linken hätte seit der RAF ein Lernprozess stattgefunden, nun gilt: Protest sollte Menschen nicht gefährden. Einzelne Aufrufe zu Gewalt gegen Personen ernten in der Linken deutliche Ablehnung, so Teune.

Wenn in Deutschland die NPD aufmarschiert, gibt es eine Gegenöffentlichkeit, in die sich auch Gewerkschaften reihen. Selbst der Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse hat schon im Sitzstreik gegen einen Neonazi-Aufmarsch protestiert. In Österreich ist man davon weit entfernt; auch das erklärt die aktuelle Debatte. Doch auch hierzulande gibt es eine Tradition antifaschistischer Proteste: gegen das Ulrichsberg-Treffen in Kärnten, gegen Schwarzblau und 2008 erstmals gegen den Burschenschafterball. Damals marschierten noch ein paar Hundert nach einem Techno-Konzert spontan zur Hofburg - heuer demonstrierten etwa 8000 Menschen. Den Demo-Aufruf gibt es seit 2009, den Ball selbst seit den frühen 1950er Jahren.

Die Polizei sei nicht gut beraten, ausschließlich mit Repressionen auf linken Protest zu reagieren, sagt Teune, wie Erfahrungen in Hamburg zeigen: "Als ungerecht empfundene Polizeimaßnahmen sind wichtige Momente der Radikalisierung."

Ein Wiedersehen im Mai

Das Polizeiaufgebot bei beiden Burschenschafterbällen war massiv, trotzdem konnte die Exekutive in Wien die Ausschreitungen nicht verhindern. Zwar steht mit dem Opernball am 27. Februar wieder ein Ball mit Demo-Tradition vor der Tür: Doch bisher sind alle Versuche, den Opernball-Protest zu reanimieren, gescheitert, und auch heuer sind keine Demonstrationen angemeldet. Dafür haben Burschenschafter angekündigt, anlässlich des "Revolutionsjahres 1848" im Mai in der Wiener Innenstadt unter freiem Himmel zu "feiern". Bleiben noch einige Wochen Zeit für Deeskalationstrainings.

* Die FPÖ hat den Ball des Wiener Korporationsrings (WKR) 2013 in "Akademikerball" umbenannt.
** Korrektur: Klaus-Werner Lobo spricht sich zwar dagegen aus, "den schwarzen Block zu dämonisieren", hat aber "kein Problem, sich von Gewalt zu distanzieren", wie er sagt. Auf Twitter schrieb er sogar: "der sogenannte schwarze block sind arschlöcher, nur damit das auchmal gesagt ist"