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Die Linken hatten recht

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
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Gut möglich, dass der Konservativismus vor dem Scherbenhaufen seiner Überzeugungen steht. "Die Linken haben recht gehabt": Dieser Satz des britischen konservativen Publizisten Charles Moore bringt die Situation der Konservativen angesichts der herrschenden wirtschaftlichen und politischen Zustände auf den Punkt. Vor dem Ausbruch der Krawalle in den britischen Städten, wohlgemerkt.

Der Kern seiner Philippika zielt darauf ab, dass auf Grundlage bürgerlicher Begriffe - in Übereinstimmung mit linker Kritik - ein System erschaffen wurde, das tatsächlich den Reichen gibt und den Armen nimmt. Als exemplarisch bezeichnet Moore das Bankensystem, das eigentlich dazu geschaffen wurde, sich des Geldes der Bürger anzunehmen; stattdessen haben die Banken das Geld an sich gerissen, damit spekuliert und alles verloren, wofür sie jedoch nicht nur nicht bestraft, sondern auch noch mit Staatsgarantien gerettet wurden.

Wirtschaftseliten haben das bürgerliche Wertegerüst - nicht selten auch die bürgerlichen Parteien gleich mit dazu - gekapert. Tugenden wie Freiheit und Selbstverantwortung, Solidarität und Leistung wurden teils in ihr Gegenteil verkehrt, um die Gier einiger weniger zu stillen. Der politische Widerstand der Konservativen gegen diese Übernahme hielt sich in Grenzen. In der jetzigen Krise, wo das ganze Ausmaß dieses völlig pervertierten Wirtschaftstreibens offen zutage tritt, offenbart sich auch der moralische Bankrott derjenigen, die mitgeholfen haben, dieses System zu errichten.

Dass auch linke Parteien unter den Architekten des Wirtschaftssystems sind - man denke an Clinton, Blair und Schröder -, ist das Problem dieser Parteien (die SPÖ darf sich mangels internationalen Gewichts des Mitläufertums schuldig fühlen).

Wollen die bürgerlichen Parteien ihre Zukunftsfähigkeit zurück, sollten sie schonungslos ihren Wertekanon überprüfen - und für wen sie überhaupt Politik gestalten. Dazu bedarf es einer selbstkritischen Debatte über die eigenen Irrwege und Perspektiven für die Zukunft.

Das Traurige ist, dass es niemanden gibt, der die bürgerlichen Werte aus ihrer selbstgewählten Gefangenschaft befreien könnte. Anlehnungen bei den Rechtspopulisten fallen jedenfalls nicht unter diese Kategorie. Eine konservative Erneuerung ist dringend notwendig, denn dass die Kritik der Linken sich bewahrheitete, bedeutet nicht zwingend, dass auch ihre Gegenrezepte die Lösung darstellen.