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Wien/New York/Taipeh - In der vor kurzem in New York von UN-Generalsekretär Kofi Annan eröffneten Ausstellung über Diplomaten, die sich während der NS-Zeit um die Rettung von Juden verdient gemacht haben, scheint auch ein Name auf, von dem bisher höchstens Insider gehört hatten. Ho Fengshan, der 1937 an die chinesische Botschaft in Wien berufen und nach dem Anschluss im März 1938 Generalkonsul wurde, hat tausende Visa für verfolgte Juden ausgestellt und ihnen damit das Leben gerettet. Vor kurzem fand der amerikanische Historiker Hillel Levine in den Archiven des Außenministeriums in Taipeh eine Liste mit den Namen von 2.139 Juden, die zwischen Mai 1938 und April 1940 von Ho Fengshan persönlich ein Visum ausgestellt bekommen haben.
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Tatsächlich liegt aber die Zahl der von Ho Fengshan Geretteten um ein vielfaches höher. Meist genügte nämlich ein Visum für eine ganze Familie. Allein aus Österreich gab es zu Kriegsende im Mai 1945 5.820 jüdische Flüchtlinge in China, die meisten davon in Schanghai. Insgesamt überlebten mehr als 18.000 europäische Juden die Zeit der Verfolgung in Shanghai.
Die Visa, die Ho Fengshan in Wien ausstellte, dienten aber oft auch als Transitvisa für Nord- und Südamerika, Palästina, die Philippinen oder Australien.
Ho Fengshan war gerade 37 Jahre alt, als die chinesische Botschaft in Wien nach dem Anschluss im Mai 1938 zum Konsulat zurückgestuft und er zum Generalkonsul wurde, dem bloß ein Assistent zur Seite stand.
Seine Witwe Ho Manli - Ho Fengshan starb 96-jährig vor drei Jahren -, die heute in San Francisco lebt, sagt, dass seine Wiener Zeit eine der schrecklichsten in seinem Leben war und dass er nicht gerne über diese Jahre sprach. Er wurde Zeuge der Judenverfolgung und war wegen seiner Aktionen selbst mehrfach gefährdet. Trotzdem hat er später nie die Anerkennung in der Öffentlichkeit gesucht, die ihm eigentlich gebührt hätte. In seinen Erinnerungen, die er 1990 zu schreiben begann und die unter dem Titel "My 40 Years Of Diplomatic Life" (Meine 40 Jahre im diplomatischen Leben) in Kürze in den USA veröffentlicht werden sollen, handeln gerade einmal 10 von 290 Seiten von seinen Wiener Erlebnissen.
Jeder Bedürftige bekam ein Visum
Als vor allen Botschaften und Konsulaten Wiens lange Menschenschlangen standen, die auf ein Visum hofften, handelte Ho Fengshan prompt. "Die Gewalt der Nazis gegen die Juden Wiens wurde nach dem Anschluss grausam. Deshalb beschloss ich alles zu tun, was in meiner Macht stand, um ihnen zu helfen", schreibt er in seinen Erinnerungen. "Ich beschloss, jeden ein Visum auszustellen, der einen Antrag stellte." Gemeinsam mit seinem Sekretär arbeitete er Tag und Nacht und erteilte Visas. Mit seinen Aktivitäten hatte der chinesische Botschafter in Berlin, Chen Jie, aber überhaupt keine Freude und telefonisch forderte er ihn auf, seine Tätigkeit sofort einzustellen, um die guten Beziehungen zwischen China und Nazi-Deutschland nicht zu belasten. Wie gut sei waren, erkennt man unter anderem aus der Tatsache, dass der Sohn des damaligen chinesischen Staatschefs Tschiang-Kai-Schek in Berlin studierte und als Mitglied des 98 Jägerregiments persönlich am Einmarsch in Österreich teilgenommen hatte.
Berliner Botschafter leitete Untersuchung ein
Ho Fengshan ließ sich in seinen Bemühungen um hilfesuchende Juden aber nicht einschüchtern und setzte seine Tätigkeit unvermindert fort. Der Berliner Botschafter leistete sogar eine Untersuchung gegen ihn ein und beschuldigte ihn, die Visa gegen Schmiergeld auszustellen.
Einmal brachte er selbst einer verfolgten Familie die Visa nach Hause. Als er in der Wohnung ankam, stand er der Gestapo gegenüber, die die Familie gerade festnehmen wollte. Ho Fengshan ließ sich aber nicht einschüchtern und es gelang ihm, dass die Familie nach Shanghai ausreisen konnte.
Anfang 1939 schlossen die Nazis das chinesische Konsulat in Wien und beschlagnahmten die Räume. Ho gab sich aber auch dann noch nicht geschlagen. Nachdem er von der chinesischen Regierung die Erlaubnis zur Wiedereröffnung bekommen hatte, mietete er auf eigene Kosten ein Gassenlokal, wo er weiterhin täglich bis zu 300 Visa ausstellte.
Als er am 10. September 1940 Wien verließ, übergab er die Stempel seines Konsulats illegalen Fluchthelfern. Bis 1942 lebte Ho Fengshan mit seiner Familie dann in Berlin, von Dezember 1942 bis zum ende des Krieges in Bukarest.
Nach der Befreiung aus einem sowjetischen Internierungslager kehrte er bei Kriegsende in seine Heimat zurück, schloss sich aber den Nationalisten an und übersiedelte nach Taiwan, wo er 1947 aus dem diplomatischen Dienst ausschied. Als Russischlehrer und Vertreter einer japanischen Firma verschwand er aus dem öffentlichen Leben und auch die zahlreichen jüdischen Flüchtlinge, die ihm das Leben verdankten verloren seine Spur.
Erst 1968 wurde er von einem israelischen Diplomaten aufgespürt, der selbst mit einem Visum Ho Fengshans den Nazi-Verfolgern entkommen war.
Der Regierung in Taipeh blieb er lange Zeit ein unbequemer Landsmann, der seinerzeit den höchsten Befehlen zuwidergehandelt hatte. Ho Fengshan starb am 28. September 1997 im Alter von 96 Jahren. Heute wird er in seiner Heimat von Journalisten als der chinesische Schindler gefeiert. Israel zeichnete ihn kürzlich mit der Yad Vashem-Medaille für die Gerechten der Völker aus.
Ho Fengshans Memoiren werden im Jänner gleichzeitig in Hongkong und in den USA erscheinen.