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Die Logik der Unmoral

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka meinte in den "Salzburger Nachrichten", es sei unmoralisch, mit der Not von Flüchtlingen Geschäfte zu machen. Er meinte damit die ÖBB, die für die Flüchtlingstransporte nun (auf Selbstkostenbasis) Ersatz in Rechnung stellen. Abgesehen davon, dass auch das Bundesheer und die Hilfsorganisationen für ihren Einsatz Kostenersatz bekommen, hat er sich wirklich den Falschen ausgesucht. Die harte Replik von ÖBB-Chef Christian Kern ist nur allzu verständlich. Denn es waren die ÖBB, die ab Ende August Schlimmeres verhütet haben. Als die nationale und die europäische Politik rat- und tatlos das Eintreffen tausender Flüchtlinge beobachtete, waren es die ÖBB, die Bahnhöfe öffneten, Hilfe und Essen mitorganisierten und Züge zum Weitertransport bereitstellten. Ohne die rasche Reaktion der ÖBB wäre es wohl damals an der ungarischen Grenze zu unkontrollierbaren Situationen gekommen.

Der ÖVP-Klubchef hat mit seiner Äußerung seiner Partei (und der Regierung insgesamt) keinen guten Dienst erwiesen. Denn am selben Tag wurde auch bekannt, dass die ÖVP-geführte Landesregierung in Salzburg das Flüchtlingsprojekt des Hoteliers (und Neos-Abgeordneten) Sepp Schellhorn nicht länger unterstützt. Auch Schellhorn zählte zu jenen, die rasch und zupackend reagierten. 36 Flüchtlinge lernen in einem ihm gehörenden Gästehaus in Bad Gastein Deutsch und werden zu Hilfskräften in der Gastronomie ausgebildet. Vor Beginn der Wintersaison will der dortige Bürgermeister (ebenfalls ÖVP) die Asylwerber wieder los sein. (Die für Integration zuständige grüne Landesrätin akzeptiert das.)

Lopatka hätte das Ansehen seiner Partei deutlich erhöhen können, wenn er sich in den "Salzburger Nachrichten" beherzt für die Verlängerung des Schellhorn-Vertrages eingesetzt hätte, anstatt sinnlos auf die ÖBB einzudreschen.

Er hätte sich auch dafür starkmachen können, das Erstaufnahmezentrum Traiskirchen nicht länger von einer privaten Firma betreiben zu lassen. Die macht tatsächlich Geschäfte mit Flüchtlingen. Auch das unterblieb.

Dafür streiten ÖVP und SPÖ darüber, ob nun ein Papier zur Grenzsicherung vorliegt oder nicht.

Kurz gesagt: Es ist eine Schande. Die Regierung hat damit erneut bewiesen, dass sie Polemik vor Lösungen stellt. Dass jene, die Lösungen präferieren (wie etwa der ÖBB-Chef), dafür beschimpft werden, ist dann allerdings irgendwie logisch.