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Die lässige Nachlässigkeit, mit der die Politik sich selbst Grenzen des Zulässigen auferlegt, ist fast schon aufreizend provokant. Dabei erinnern die maßgeblichen Parteien an Pubertierende, die den Bitten ihrer Erziehungsberechtigter immer nur ein klein wenig nachkommen; und die, sobald man kurz wegschaut, sofort wieder einen Schritt zurück machen.
Ungefähr so fühlt es sich als Bürger an, wenn nun die Parteien vordergründig zerknirscht feststellen, dass ihre selbst verfassten Regeln zur Wahlkampffinanzierung - leider, leider - nicht einmal die erste Bewährungsprobe bestanden haben. Und dass es jetzt heißt, es war ja erst der erste Praxistest, Nachjustierungen seien da normal, ist überhaupt jenseitig. Man stelle sich vor, ein gewöhnlicher Delinquent führte solche Argumente vor seinem Richter an.
Angesichts der Stimmungslage bei den Bürgern ist diese Strategie des politischen Establishments mutig. Es ist entweder der Mut von Verzweifelten, die wissen, dass sie keine Zukunft haben; oder der Mut von Spielern, die kühl mit der notorischen Vergesslichkeit der Schiedsrichter und des Publikums kalkulieren. So gesehen wäre die fortgesetzte Nachlässigkeit eine simple Kosten-/Nutzenanalyse, die auf langjährigen einschlägigen Erfahrungswerten aufbaut.
Es ist ein riskantes Spiel, dass die Parteien hier am Laufen halten. Und sie legen dabei die Attitüde jener Heuschrecken und Finanzmanager an den Tag, die das Risiko ihres Gebarens auf unbeteiligte Dritte abwälzen, die Gewinne aber schnell noch selbst einstreichen.
Man muss es so hart formulieren. Der finanzielle Schaden durch das Tarnen und Täuschen fällt dabei nicht ins Gewicht; ungleich schwerer wiegen die damit verbundenen Kollateralschäden für das gesamte politische System. Parteien entstehen und vergehen, wenn sie großflächig versagt haben oder sonst irgendwie überflüssig geworden sind. Obwohl: Hierzulande verfügen die Parteien eher schon über die Lizenz zum ewigen Leben. Nur was nützen einem Überlebenskünstler als Parteien, die es auch in der ärgsten Krise verstehen, ihr eigenes Überleben zu sichern, aber im Gegenzug jene Demokratie an die Wand fahren, die sie doch mit Leben erfüllen sollten? Der Umgang mit den Wahlkampfkosten ist, für sich genommen, eine Lappalie, ein kleines Detail. Aber er ist bezeichnend für den Zustand des größeren Ganzen.