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EU-Mission soll sofort aufbrechen. | Streit Russland-Ukraine bleibt weiterhin ungelöst. | Unverminderte Schuldzuweisungen. | Brüssel. Nach Tagen heftiger Verhandlungen zeichnet sich eine Lösung in der Gaskrise ab. Schlüssel ist eine EU-Beobachtermission, welche die Einspeisung und den Transit an der Grenze zwischen Russland und der Ukraine und den Durchleitungsterminals überprüfen soll. | Der Gashahn bleibt zu
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"Sobald die EU-Beobachter eingetroffen sind, nehmen wir die Gaslieferungen wieder auf", sagte Gazprom-Chef Alexej Miller gestern, Donnerstag, in Brüssel.
Nach Aussagen mehrerer hoher EU-Funktionäre könnten die europäischen Experten spätestens heute, Freitag, aufbrechen. Frühestens in der Nacht auf Sonntag könnte das Gas aus Russland also wieder strömen.
Denn der ukrainische Versorger Naftogaz benötigt nach Aussage seines Vorstandvorsitzenden Oleg Dubina etwa 36 Stunden, um das Netz nach der Nutzungsunterbrechung wieder hochzufahren. Für den Fall, dass tatsächlich kein Druck mehr in den Leitungen ist, sind EU-Experten von einer Anlaufphase über vier bis fünf Tage ausgegangen.
Konflikt bleibt aufrecht
Die Deblockade des Streits ändert aber nichts an dem grundsätzlichen Problem zwischen der Ukraine und Russland. Keines der beiden Länder ist bereit, von seiner harten Linie der Schuldzuweisungen auch nur einen Millimeter abzuweichen. In Diplomatenkreisen wird - wie vor drei Jahren - von einer Machtdemonstration Moskaus ausgegangen. Sie sei diesmal aber in der Öffentlichkeit geschickter verkauft worden, hieß es.
Der nun anvisierten vorläufigen Lösung ging hektische Krisendiplomatie voraus, in die am Ende fast sämtliche hochrangigen Politiker Russlands, der Ukraine, des gegenwärtigen EU-Vorsitzlandes Tschechien sowie der Brüsseler EU-Institutionen verwickelt waren. Denn spätestens nach dem Lieferstopp Gazproms vor drei Tagen wurde den Tschechen und den EU-Funktionären klar, dass es sich wohl nicht nur um ein technisches Problem zwischen zwei Nachbarländern der EU handelt, wie Moskau erklärte. Rund die Hälfte der Mitgliedsstaaten verbuchte einen dramatischen Druckabfall in ihren Gasleitungen. 80 Prozent aus Russland kommen normal via Ukraine. Viele Länder in Südosteuropa mussten einen Totalausfall verkraften.
Fast zu lange hatte die EU gezögert, entschieden einzugreifen, weil sie sich weder von Moskau noch von Kiew instrumentalisieren lassen wollen. So vermieden EU-Vertreter öffentlich konsequent, die Schuld nur Moskau oder Kiew zuzuweisen. Vorrang hatte eindeutig die rasche Wiederherstellung der Gaslieferungen. Es sei jedoch "inakzeptabel für die EU, seine Bürger und Unternehmen an Gasmangel leiden zu sehen, weil beide Partnerländer ihre vertraglichen Verpflichtungen nicht respektieren", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der EU-Außenminister.
Streitfall Gaspreise
Miller und Dubina hatten die Verhandlungen erst in der Nacht auf Donnerstag nach einer Woche Funkstille wieder aufgenommen.
Beide betonten, keinerlei Verletzungen ihrer vertraglichen Pflichten gegenüber der Union begangen zu haben. "Gazprom hat alle Lieferungen eingestellt", sagte der ukrainische Vizepremier Gregori Nemiria, der als Rückendeckung für Dubina mit nach Brüssel gekommen war. Aber nur, weil die Ukraine das Gas selbst behalten und die Pipelines Richtung EU blockiert habe, tönt es aus Moskau. Das habe Kiew wirklich nicht nötig, meinte Dubina. Lediglich 1,4 Milliarden Kubikmeter Gas seien seit Jahresbeginn aus Russland gekommen, die Ukraine selbst habe aber gut 17 Milliarden auf Lager.
Hintergrund dieses Hickhacks ist ein erbitterter Streit: Russland will höhere Gaspreise von der Ukraine. Statt heute rund 175 US-Dollar (130 Euro) pro 1000 Kubikmeter wollen die Russen mindestens 250. Kiew beharrt dagegen auf einer angeblichen vertraglichen Zusage, maximal gut 200 Dollar (150 Euro) zahlen zu müssen. Wer recht hat, sei nicht nachvollziehbar, hieß es in Diplomatenkreisen. Das Gewirr aus Verträgen und Nebenvereinbarungen zwischen den Ländern sei kaum durchschaubar.
Auf einen dieser Verträge beziehen sich die Ukrainer auch, wenn sich wie für das Gas auch für die Durchleitung "marktübliche" Preise verlangen wollen. Die Russen sehen das Thema Gaspreis jedoch strikt vom Transit getrennt, wie Miller betonte. Für zweiteres gebe es einen Vertrag bis Ende 2010. Einen Vorwand für die nächste Krise zu finden, dürfte also nicht allzu schwierig werden.