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Der Bau des Krankenhauses Nord ist für die Opposition ein "Fass ohne Boden".
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Wien. Am Dienstag wird der Grundstein für ein Projekt gelegt, das nicht nur Wiens größtes Spitalsvorhaben betrifft, sondern auch seit Jahren kritisch beleuchtet wird. Im Rahmen des Spitalskonzepts 2030 wird Bürgermeister Michael Häupl, Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely, KAV-Generaldirektor Wilhelm Marhold, KAV-Finanzdirektor Maximilian Koblmüller sowie Architekt Albert Wimmer die Baustelle für das neue Krankenhaus Nord in der Brünnerstraße in Wien-Floridsdorf eröffnen.
Nicht nur das Info-Center gegenüber der Baustelle, das mit Musterzimmern für Besucher und Journalisten eingerichtet wurde, zog das Interesse der Öffentlichkeit an, auch die Kosten des Riesen-Projekts wurden immer wieder kritisiert. 825 Millionen Euro kostet das neue Krankenhaus, ohne laufende Finanzierungskosten. Die Europäische Investitionsbank (EIB) liefert einen Kredit über 300 Millionen Euro. Ein Jahr lang habe sie das Projekt geprüft, sagt Marhold zur "Wiener Zeitung". Es sei in Europa ein einzigartiges Infrastrukturprojekt, würde auch die EIB geurteilt haben. Der Grund für einen Neubau sind die veralteten, vor allem im Westen Wiens verstreuten kleinen Krankenhäuser der Kaiserzeit. Um dem demographischen Wandel der Stadt Wien zu entsprechen, sei eine komplette Neustrukturierung der Gesundheitslandschaft notwendig.
Mit dem neuen Spital Nord, das 2016 seinen Betrieb aufnehmen soll, wird in der Spitalslandschaft Wiens kein Stein auf dem anderen bleiben. Mit der Eröffnung des neuen Krankenhauses werden zahlreiche Spitäler im Westen Wiens geschlossen. Das Wilhelminenspital wird bei laufendem Betrieb umgebaut. Das Otto-Wagner-Spital soll im Jahr 2025 im Wilhelminenspital aufgehen. Noch heuer soll der Grundstein für ein neues Mutter-Kind-Operationszentrum des Kaiser-Franz-Josef-Spitals gelegt werden, welches 2015 endgültig das Preyer’sche Kinderspital ablösen wird.
785 Betten auf 111.000 Quadratmetern
Das neue Krankenhaus Nord wird rund 785 Betten umfassen, viele Schwerpunkt-Abteilungen von anderen Spitälern übernehmen und 2016 seinen Vollbetrieb aufnehmen können. Der KAV rechnet mit 46.000 stationären Aufnahmen, 250.000 ambulanten Patienten sowie rund 17.000 Operationen jährlich. Die Leistungsschwerpunkte sind unter anderen Gynäkologie und Geburtshilfe, Kardiologie, Herzchirurgie, Kinder- und Jugendheilkunde, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Orthopädie, Psychiatrie, Thoraxchirurgie und Pulmologie. Auf 111.000 Quadratmetern soll laut Stadt ein Gesundheitsareal entstehen, das den Wohnbedürfnissen der Menschen angepasst sein soll. So wurden laut Marhold nur Ein- und Zweibettzimmer geplant.
Kritik an dem Neubau kommt naturgemäß von den Oppositionsparteien: Wiens ÖVP-Gesundheitssprecherin Ingrid Korosec bezeichnete das Krankenhaus Nord am Montag wörtlich als "Fass ohne Boden". Grund seien die hohen Kosten. Denn daran, dass die aktuell budgetierten 825 Millionen Euro reichen werden, um das Spital bis 2016 fertigstellen zu können, glaubt sie nicht. "Man darf nicht vergessen, da hat es ein langes Hin und Her gegeben. 2006 waren ja noch 300 Millionen Euro veranschlagt, drei Jahre später waren es dann schon 825", so die Politikerin zur "Wiener Zeitung". Geht es nach Korosec, werde das Krankenhaus Nord am Ende bis zu 1,2 Milliarden Euro kosten.
Ähnlich argumentiert auch FPÖ-Gesundheitssprecher und Stadtrat David Lasar. "Das wird wieder so werden bei beim Bau des Flughafenterminals Skylink", erklärte er und versicherte, dass das neue Krankenhaus - inklusive Inflation und Finanzierungskosten - bis zu 1,3 Milliarden Euro kosten werde. Besonders stört sich Lasar daran, dass kein Generalunternehmer für das Projekt engagiert wurde. Mit der Folge, dass die Europäische Investitionsbank einen Kredit über 300 Millionen Euro wieder zurückgezogen habe, wie er betonte. "Was wir jetzt haben, sind wieder hunderte Einzelausschreibungen, da ist das Chaos vorprogrammiert." Es gibt Generalunternehmer ähnliche Pakete, kontert der KAV. Der Kredit der EIB sei gesichert.
"Sonderklassenregelung müsste überdacht werden"
Grundsätzliches Lob für das Krankenhaus Nord kommt hingegen von unabhängigen Experten. Generell sei der Neubau im Stadtentwicklungsgebiet jenseits der Donau zu begrüßen, weil so etwa die "Ungleichgewichte bei der Verteilung von Akutbetten" ausgeglichen werden könnten, wie es heißt.
Dafür, das Projekt "nicht isoliert zu bewerten", plädiert Maria Hofmarcher vom Wiener European Centre for Social Welfare Policy. Immerhin seien Planung und Entwicklung auf Basis eines Strukturplans erfolgt, der wiederum darauf abziele, die Zusammenarbeit zwischen den Krankenhäusern und den außerhalb liegenden Versorgungsbereichen (niedergelassene Ärzte und Fachärzte) zu verbessern und das Spitalswesen durch die Schaffung von Gesundheitsplattformen transparent zu machen. Denn: "Was wir brauchen, ist eine episodenorientierte Planung, wo Klarheit über den Weg des Patienten durch das Gesundheitssystem besteht." Die Höhe der Neubaukosten wollte die Gesundheitsexpertin nicht kommentieren. Sie gehe davon aus, dass die Verantwortlichen hier korrekt kalkuliert und geplant haben, meinte sie.
Wo es allerdings noch Optimierungsbedarf gebe, sei die Frage der Sonderklassenregelung. Demnach würden hier, etwa wenn Privatpatienten in staatlichen Spitälern behandelt werden, öffentliche und private Verpflichtungen verschwimmen. Diese Regelung sei laut Hofmarcher nicht nur mit Blick auf die finanzielle Abrechnung "unfair und intransparent", sondern fördere "in einem gewissen Umfang" schließlich auch die Zweiklassenmedizin.
FPÖ fordert U-Bahnlinie bis zum Krankenhaus Nord
Unangenehme Fragen müssen sich die Bauwerber auch hinsichtlich der verkehrstechnischen Anbindung gefallen lassen. So ist etwa das Areal an der Brünnerstraße nicht an das Wiener U-Bahnliniennetz angeschlossen. Wer in Hinkunft zum KH-Nord will, ist auf die Schnellbahn, die Straßenbahn oder den Bus angewiesen. Für FPÖ-Stadtrat Lasar ist das zu wenig: "Wenn man ein modernes Krankenhaus baut, gehört eine U-Bahn fix dazu. Ich kann mir vorstellen, dass man hier die U6 verlängern und damit auch den Verkehr entlasten kann".
Die Großbaustelle liegt an der Brünner Straße 68 im 21. Bezirk. Ob mit U-Bahn oder ohne - die Patienten werden ihren Weg dorthin finden müssen; zumal laut Marhold 40 Prozent gar nicht aus Wien kommen.