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Der Streik des Kabinenpersonals trifft Europas Airline-Branchenprimus Lufthansa in einer kritischen Phase. In die Zange genommen von Billigfliegern auf der einen und aggressiv wachsenden Golf-Carriern wie Etihad, Katar oder Emirates auf der anderen Seite, belastet von weiterhin hohen Treibstoffpreisen und speziell deutschen Kostenfaktoren wie Ticketsteuern und CO2-Abgaben, wackelt das gesamte milliardenschwere Sparprogramm "Score".
Denn den bisher im Gegensatz zu den Piloten stets eher lammfromm agierenden - und keineswegs überbezahlten - Stewardessen und Flugbegleitern geht es explizit nicht nur um mehr Geld. Sie streiken auch gegen den Stellenabbau, den der Anfang 2011 angetretene Lufthansa-Konzernchef Christoph Franz angekündigt hat. Zwar sollen laut "Score" vor allem in der Verwaltung Jobs gestrichen werden, wenn die weltweite Konzernbelegschaft der Lufthansa von fast 17.000 Mitarbeitern um gut 3500 Köpfe schrumpfen soll. Aber Franz stellt auch das "teure Full-Service-Modell für die Europa-Flüge" infrage, damit "Score" die angestrebte Ergebnisverbesserung um 1,5 Milliarden Euro pro Jahr bringt. Weniger Full-Service - das heißt wohl in Prosa auch weniger oder billigere Flugbegleiter.
Franz hat bereits mächtig aufgeräumt mit den jetzt als Fehlern angesehenen Zukäufen seines Vorgängers Wolfgang Mayrhuber. Der chronische Verlustbringer British Midland (bmi) ist verkauft, Lufthansa Italia eingestellt.
Und bei der heiklen Sanierung der immer noch Verluste einfliegenden Tochter Austrian Airlines ist immerhin einiges weiter gegangen: Die Österreicher fliegen bereits unter dem billigeren Kollektivvertrag ihrer Regionaltochter Tyrolean und haben - durch Reduktion der Pensionsrückstellungen - jüngst sogar einen Gewinn bilanzieren können, der sich auch in den Büchern der Mutter darstellen ließ. Beispielhaft auch für die Mutter?
Dass die Airlines weltweit heuer insgesamt magere drei Milliarden Dollar Gewinn einfliegen werden- die Europäer stürzen bei steigenden Passagierzahlen und Umsätzen sogar tief in die Verlustzone - , hängt aber womöglich auch damit zusammen, dass die Branche seit den 90er-Jahren - um Reisebüroprovisionen zu sparen - Buchungssysteme wie Amadeus oder Galileo oder Sabre ausgliederte.
Statt - wie von den Airlines erwartet - durchs Internet gekillt zu werden, knabbern die jetzt selbstständigen "Global Distribution Systems" eifrig an den ohnehin chronisch "bordkartendünnen" Gewinnspannen der Fluglinien. Mehr als sieben Milliarden Dollar kassieren die GDS heuer mit ihren Gebühren, im Schnitt 12 Dollar pro Hin- und Rückflugbuchung, hat der "Economist" ausgerechnet.