3,5 Milliarden Euro Gegengeschäfte für Austro-Firmen jetzt auf dem Prüfstand.
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Wien.
Der Ankauf der Eurofighter müsste eigentlich als Bombengeschäft in die Geschichte der österreichischen Wirtschaft eingehen. Bei einem Kaufpreis von 1,7 Milliarden Euro für 15 Kampfjets haben heimische Firmen mehr als das Doppelte an zusätzlichen Aufträgen (Gegengeschäfte) vom Eurofighter-Hersteller EADS bekommen - und das fast fünf Jahre früher als beim Kauf der Abfangjäger vereinbart. Damals, 2002, hatte man noch 15 Jahre anvisiert, um die Zielgröße zu erreichen.
Nach aktuellen Zahlen wurden bis 2010 insgesamt 3,3 Milliarden Euro an Gegengeschäften durchgeführt (siehe Grafik), an dem Bericht für 2011 wird noch gearbeitet. Doch es ist klar, dass die vereinbarte Schallmauer von 3,5 Milliarden Euro für diese Geschäfte längst durchbrochen ist.
Jetzt müsste das Wirtschaftsministerium, das für die Gegengeschäfte zuständig ist, eigentlich den Akt schließen und den Vertrag mit EADS als erfüllt abhaken. Nach den jüngsten Korruptionshinweisen, die auch die Gegengeschäfte betreffen, wartet das Ministerium aber mit der Endabrechnung, bis die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft abgeschlossen sind und "screent" nach eigenen Angaben alle Geschäfte der letzten zehn Jahre. Sollten welche dabei aus der Bilanz fallen, rücken andere nach, heißt es sinngemäß. Welche Geschäfte geprüft werden und welche Firmen allein in den Jahren 2008 bis 2010 jeweils mehr als 500 Millionen Euro zusätzliche Geschäfte mit EADS gemacht haben, das bleibt streng geheim, wie beim Vertrag über die Gegengeschäfte vereinbart.
Nicht nur die Justiz, sondern auch die Opposition will es aber genau wissen. Das BZÖ wird bei der nächsten Sitzung des Nationalrats einen eigenen Untersuchungsausschuss zu den Gegengeschäften beantragen. Auch der grüne Aufdecker Peter Pilz hat bereits erklärt: "Am U-Ausschuss führt kein Weg vorbei."
Doch die SPÖ, ohne die ein U-Ausschuss unwahrscheinlich ist, bremst. "Wozu einen U-Ausschuss? Ein U-Ausschuss dient dazu, die politische Verantwortung zu klären. Da braucht man aber nichts mehr zu klären. Die Verantwortlichen stehen fest", spielt SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter auf die damaligen Entscheidungsträger in der schwarz-blauen Regierung an.
"Das Ganze war eine Augenauswischerei"
Zweifel an den Gegengeschäften gab es aber schon lange bevor über den Zusammenhang zwischen Schmiergeldern und Gegengeschäften spekuliert wurde.
Ein hochrangiger Industrieller, der damals in die Gegengeschäfte involviert war und anonym bleiben will, meint rückblickend: "Das mit den Gegengeschäften war eine Augenauswischerei. Es sind uns dadurch keine Türen geöffnet worden." Hinter den hohen Summen der vergangenen Jahre vermutet er einige "Jux-Anrechnungen". Das heißt, die Geschäfte wären auch ohne den Deal im Hintergrund getätigt worden.
Der Industrielle und ehemalige Finanzminister Hannes Androsch wird noch deutlicher: "Das mit den Gegengeschäften war von Anfang an ein Märchen. Ich weiß nicht, was da sonst noch alles eingerechnet wurde." Konkret eingerechnet wurde eine Firma, deren Haupteigentümer er war: die FACC. Der Flugzeugkomponenten-Hersteller aus Oberösterreich lieferte Landeklappen für den Airbus, der ebenfalls aus der EADS-Schmiede kommt, und später Teile für den Eurofighter. "Geschadet hat es sicher nicht, aber die Aufträge hätte FACC auch so bekommen", beantwortet Androsch die Frage, ob der Eurofighter-Deal damals ein entscheidender Türöffner gewesen sei.
Schon 2002 meinte der renommierte Volkswirtschaftsprofessor Erich Streissler: "Die Behauptung, dass Kompensationsgeschäfte für die Wirtschaft günstig seien, ist bestenfalls ein Irrglaube, schlechtestenfalls ein glatte Lüge." Alexander Van der Bellen von den Grünen, ebenfalls Volkswirtschaftsprofessor, sprach damals von "Vodoo-Ökonomie". Diese Kritik flammt nun zehn Jahre später wieder voll auf.
"Firmen ohne ihr Wissen auf der Liste gelandet"
Neben FACC lieferten weitere Spezialfirmen wie Plansee, Siemens, Kapsch oder Böhler Schmiedetechnik an EADS. Auch die RZB wurde mit einem Risikokapitalfonds genannt.
Die meisten dieser Firmen landeten auf der Liste mit den Gegengeschäften. Den einen war es recht, den andern nicht. So dementierte Pankl Racing 2007 jeglichen Zusammenhang zwischen seinen Geschäften und dem Eurofighter-Deal. Andere Firmen behaupteten, gar keine passenden Geschäfte abgeschlossen zu haben, mit denen sie sich für die Liste der Gegengeschäfte hätten qualifizieren können.
Über die Anrechenbarkeit entschied das Wirtschaftsministerium, unterstützt von der "Plattform Gegengeschäfte", in der auch die Sozialpartner saßen. Ein Sprecher der Wirtschaftskammer meint heute dazu: "Über die einzelnen Firmen können wir nichts sagen. Da gibt es ein Stillhalteabkommen. Aber das, was wir gesehen haben, war rein formal in Ordnung."
Ein Name, der jetzt immer wieder im Zusammenhang mit dem Eurofighter auftaucht, ist Magna, obwohl Magna-Gründer Frank Stronach schon 2007 erklärte, Magna habe vom Eurofighter-Deal nicht profitiert.
Gegengeschäfte
sind Aufträge, die ohne ein dahinterliegendes Hauptgeschäft nicht zustande gekommen wären. Das Hauptgeschäft im konkreten Fall ist der Kauf von 15 Eurofightern durch die Republik Österreich. Die dahinter liegenden Gegengeschäfte sind Aufträge vom Eurofighter-Hersteller EADS an heimische Firmen im Volumen von 3,5 Milliarden Euro. Dabei geht es um Bauteile für den Eurofighter, Zulieferungen für den Airbus 380, der ebenfalls aus der EADS-Schmiede stammt, aber auch um Forschungsarbeiten an heimischen Universitäten.