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Die Luxemburger Urteile ändern die Realverfassung nicht: Zocken boomt

Von Helmut Dité

Analysen

Der EuGH hat die Glücksspielmonopole in Deutschland und Österreich gekippt. Während in Deutschland der Casinosektor liberalisiert war und der EuGH jetzt das staatliche Sportwettenmonopol abschoss, fällt in Österreich das Casino-Monopol - das Sportwetten- und Automatenspielgeschäft ist schon liberalisiert. | Und alle freuen sich.


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Der Grün-Abgeordnete Peter Pilz glaubt, dass nun eine völlige Neufassung des Glücksspielgesetzes kommen muss - das eröffne die Chance, "die Gangsterwirtschaft in diesem Bereich endlich zu bekämpfen".

Der börsenotierte Online-Sportwettenanbieter bwin, der sich gerade mit der britischen Partygaming zum Weltmarktführer zusammenschließt, sieht gewaltige Expansionsmöglichkeiten in seinem jetzt schon größten Markt Deutschland, wenn er dort lizensiert und nicht mehr von Gibraltar aus zocken lassen darf.

Der Spielautomatenkonzern Novomatic ist ebenfalls froh, "dass in Hinkunft Konzessionen für Spielbanken in einem transparenten Verfahren" vergeben werden müssen. Es galt aber schon vor dem Urteil als so gut wie sicher, dass die Niederösterreicher eine solche auch bekommen.

Der österreichische Monopolist Casino AG fühlt sich daher nicht wirklich angesprochen, der Monopolist Lotterien überhaupt nicht.

Die Fußballklubes freuen sich auf mehr Sponsorgeld.

Die Zocker freuen sich auch: Das Angebot wird noch breiter.

Nur der Ethik-Beirat des Deutschen Lotto- und Totoblocks freut sich nicht. Er will eine schärfere Regulierung und Einschränkung von Spielautomaten - dem Automatenspiel werde schließlich auch im Luxemburger Urteil ausdrücklich ein höheres Suchtpotenzial als dem Lotto attestiert. Eine völlige Freigabe von Sportwetten würde "Korruption, Manipulation und Geldwäsche Tür und Tor öffnen." Man wolle schließlich nicht "Zustände wie in anderen Ländern, in denen man darauf wetten kann, welcher Spieler in der 56. Minute gefoult wird".

Auf jeden Fall kann man darauf wetten, dass in beiden Ländern jeweils ausländische Anbieter stärker werden. Mit 7,8 Milliarden Euro allein an Wetteinsätzen beim großen Nachbarn und 3,7 Milliarden Euro pro Jahr fürs gesamte Glückspiel hierzulande sind die Märkte mehr als attraktiv. Der heimische Durchschnittshaushalt gibt mittelerweile mehr als 1000 Euro pro Jahr für Glücksspiele aller Art aus, so viel wie für den Urlaub.

Der EuGH habe wieder nur Detailfragen geklärt, denn das grundlegende Problem könne er gar nicht lösen, stellt der Wiener Zivilrechtler Wolfgang Zankl fest. Zankl fordert daher von der EU eine europäische Richtlinie mit starken, unabhängigen Aufsichtsbehörden und einheitlichen Regelungen für Verbraucherschutz und Zulassungsvoraussetzungen, damit die Kriminalität wirksamer bekämpft werden kann.

Aber auch er räumt ein, dass man gegen die Masse dubioser Anbietern aus Asien auch damit a la longue nicht wirklich ankämpfen können werde.

Siehe auch:Aus für heimisches Glücksspiel-Monopol