Die Investitionen der Republik in Luxus-Immobilien - auch unter Beteiligung von René Benkos Signa Holding - sind schwer umstritten. Der Bericht zum Ibiza-U-Ausschuss bewertet sie als unproblematisch.
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Wer sich auf der Website der Austrian Real Estate GmbH (ARE) umschaut, dem kann der eigene Wohnraum im Vergleich sehr schnell sehr bescheiden vorkommen. Große, lichtdurchflutete Räume sind dort zu sehen, mit raumhohen Fenstern, edlen Parkettböden und sonnigen Freiflächen. Auch das Mobiliar auf den repräsentativen Fotos ist schick. Noble Sofas und Designerstühle, wie man sie aus Hochglanzmagazinen und Broschüren großer Immobilienmakler kennt.
Wohnträume wie diese haben natürlich ihren Preis. In einem der neu errichteten "Triiiple"-Türme am Wiener Donaukanal kostet eine 69-Quadratmeter-Wohnung mit Balkon 770.000 Euro und mehr. Im Wohnprojekt "Kayser" an der noblen Adresse Franz-Josefs-Kai in der Wiener Innenstadt muss man für dieselbe Größe sogar 1,2 Millionen Euro hinblättern.
Wer den Immobilienmarkt in Wien kennt, wird nicht überrascht sein. Preise dieser Größenordnung sind im gehobenen und Luxus-Segment inzwischen üblich. Überraschen könnte dagegen, dass der Financier dieser Luxus-Wohnungen nicht etwa eine große Investmentfirma oder ein internationaler Hedgefonds ist, sondern: Österreichs Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Denn die ARE, zu deren Portfolio die genannten Bauprojekte zählen, ist eine Tochtergesellschaft der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) und steht im Eigentum der Republik Österreich. Konkret in jenem der Staatsholding Öbag, die wegen ihres im Juni zurückgetretenen Alleinvorstands Thomas Schmid in den vergangenen Monaten so oft in den Schlagzeilen stand.
"Leistbares Wohnen" in den Hintergrund gerückt
Gemeinsam mit der Öbag wurden auch die Tätigkeiten der ARE, deren Aufgabe die Entwicklung und Bewirtschaftung von Wohn- und Büroimmobilien ist, im Ibiza-U-Ausschuss ausführlich durchleuchtet. Ebenso wie etwaige Privatisierungspläne des Staatsunternehmens. Grund für die Aufmerksamkeit der Parlamentarier war nicht zuletzt die Rechnungshofkritik aus 2017. Sie bezog sich auf eine 2015 gestartete Wohnbauinitiative der ARE. Diese hatte das Ziel, im mittleren Preissegment frei finanzierte Mietwohnungen zu schaffen, um das Angebot in diesem Segment zu erhöhen und Druck vom Markt zu nehmen.
Der Rechnungshof erkannte bei seiner Prüfung zwar an, dass die ARE mit ihrer Initiative tatsächlich einen solchen Schwerpunkt setzte. Er kritisierte aber, dass sie gleichzeitig den Wohnbau im Premiumsegment forcierte, was den Zielvorstellungen des Bundes, leistbaren Wohnraum zu schaffen, zuwiderlief. Im Bericht des Rechnungshofs werden beispielhaft etwa Wohnungen "für den gehobenen Lebensstil" angeführt, die die ARE im Dezember 2017 in Wien-Wieden anbot. Der Preis für ein 200-Quadratmeter-Appartement im 4. Bezirk betrug knapp zwei Millionen Euro.
Kritik an dieser Praxis der ARE kam nicht nur von den Rechnungshofprüfern, sondern auch aus der Politik. Besonders die Grünen kritisierten im U-Ausschuss, dass Objekte ausschließlich zum Verkauf an Investoren und Anleger gebaut würden und das Ziel des leistbaren Wohnens in den Hintergrund gerückt sei. Die Reaktion der ARE: Das Unternehmen sei grundsätzlich nicht gegründet worden, um "leistbaren Wohnraum" zu schaffen, hieß es von der Unternehmenssprecherin. Hochpreisige Wohnungen würden aber ohnehin nur an Standorten gebaut, die davor bereits im Eigentum der ARE standen. Bei Neuankäufen von Immobilien und Grundstücken würde man dagegen explizit darauf achten, leistbaren Wohnraum zu schaffen, hieß es.
"Totale Ausnahmefälle"
Laut dem Vorab-Bericht zum Ibiza-U-Ausschuss von Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl hielten die damaligen Koalitionspartner SPÖ und ÖVP im Hinblick auf die Wohnbauinitiative 2015 fest, dass die ARE ihren gewünschten Wohnbau im mittleren Preissegment auch durch Abverkäufe refinanzieren solle. Demnach entsprach es der gewünschten Strategie der damaligen Bundesregierung, Eigentumswohnungen auch für Investoren zu errichten, um mit den Verkaufserlösen wiederum Wohnungen im mittleren Preissegment zu finanzieren. Bei den Abverkäufen war die ARE "als Unternehmen im Sinne der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit angehalten, den bestmöglichen Ertrag zu erzielen", heißt es im Bericht. Anders gesagt: Luxus-Immobilien zu errichten und zu entsprechend hohen Preisen zu verkaufen, sollte dazu beitragen, das Angebot von günstigen Wohnungen zu erhöhen.
Diese Strategie führte im U-Ausschuss auch Elisabeth Gruber, Leiterin der Abteilung Beteiligungen und Liegenschaften im Finanzministerium und Aufsichtsrätin der BIG wie auch der ARE, aus. Es seien nur einige wenige Grundstücke, die sich im hochpreisigen Segment in Innenstadtlagen befänden. Der Gewinn aus den Verkäufen dieser "totalen Ausnahmefälle", so Gruber, fließe indirekt in die Errichtung von gemeinnützigen Wohnungen. Auch Hans-Peter Weiss, Geschäftsführer des BIG-Konzerns und der Tochtergesellschaft ARE, bestätigte das im U-Ausschuss.
Die Rolle von Benkos Signa Holding
Verfahrensrichter Pöschl hält die skizzierte Strategie in seinem Bericht für glaubwürdig. Insbesondere Geschäftsführer Weiss "konnte glaubhaft den politischen Wunsch nach ‚leistbarem Wohnen‘ der an wirtschaftlichen Grundsätzen ausgerichteten Unternehmensstrategie gegenüberstellen", schreibt Pöschl. Es sei "nachvollziehbar", dass nur die Entwicklung bereits vorhandener ARE-Grundstücke zur Entstehung teurer Wohnungen geführt habe. "Entgegenstehende Beweisergebnisse lagen nicht vor", so der Bericht.
Die Abgeordneten kritisierten im U-Ausschuss aber auch noch anderes. Etwa die zahlreichen Projektpartnerschaften der ARE mit privaten Unternehmen wie der Soravia Investment Holding, der J&P Immobilienmakler GmbH - und nicht zuletzt: der Signa Holding eines gewissen René Benko. Das führte zu Spekulationen, dass sich der in der Republik bestens vernetzte Benko, der als Vertrauter von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gilt, über gemeinsame Projekte "schleichend" in die ARE einkaufen wollte und es so bei der ARE zu einer Art Privatisierung durch die Hintertür kommen könnte.
Auch für diese Vermutungen findet Pöschl in seinem Bericht allerdings keine Belege oder Anhaltspunkte. ARE-Geschäftsführer Weiss argumentierte im U-Ausschuss, dass Projektpartnerschaften mit privaten Bauträgern eingegangen würden, um so größere Projekte wie etwa ganze Stadtteilentwicklungen umsetzen zu können. Heutzutage würden solche Kooperationen vor allem bei Projekten "aus der Sphäre des jeweiligen Partners" eingegangen, um sich als ARE überhaupt daran beteiligen zu können. Für Pöschl ist diese Argumentation "nachvollziehbar und deckt sich mit den auch dem Laien zugänglichen Beobachtungen der Abwicklung von Großbauprojekten". Zudem sei im Verfahren "nichts hervorgekommen, was auf eine unzulässige Bevorteilung der Signa oder von Benko oder sonstiger dritter Personen schließen ließe".
Aufträge ohne Ausschreibung
Und noch etwas sorgte für Verwunderung und Kritik im Ausschuss: Die ARE beteiligte sich bei Kooperationen mit privaten Immobilienentwicklern mitunter nur zu 49 Prozent. Das könnte dazu führen, dass das Bundesvergabegesetz nicht zur Anwendung kommt. Parlamentarier der Opposition und der Grünen vermuteten, dass ARE-Aufträge an Spender der ÖVP gegangen sein könnten - ohne dabei an einen transparenten Ausschreibungsprozess gebunden zu sein und ohne Kontrolle des Rechnungshofs. Kurz sammelte bekanntlich vor der Wahl 2017 auch viele Spenden aus der Immobilienbranche.
Der als Auskunftsperson befragte Unternehmer Klaus Ortner erklärte das im U-Ausschuss folgendermaßen: Hätte sich die ARE mit einer Mehrheit von 51 Prozent beteiligt, wären die Abwicklungen "wirtschaftlich (...) nicht machbar", weil alle Entscheidungen mit öffentlichen Ausschreibungen getroffen werden müssten und damit "so schwerfällig wären, dass man am internationalen Markt nicht konkurrenzfähig ist". Verfahrensrichter Pöschl hält dazu fest: Die "sehr ausführlichen Befragungen" hätten ebenso wenig wie die vorliegenden Urkunden Hinweise darauf ergeben, dass "insbesondere im Bereich der Kooperationen mit privaten Investoren oder Bauträgern diese oder Dritte unrechtmäßig begünstigt werden sollten oder tatsächlich wurden".
Nun ist ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss kein Justiz-Verfahren, kein investigatives Gremium und kann auch nicht so detailliert Einsicht nehmen wie der Rechnungshof. So kann auch der Verfahrensrichter nur die vorliegenden Unterlagen und Aussagen der Auskunftspersonen im U-Ausschuss bewerten - und daraus eine Einschätzung abgeben. Sie ist daher kein "Beweis" für die Sauberkeit aller untersuchten Vorgänge. Die finale Einschätzung Pöschls zur Causa ARE in seinem Bericht lautet jedenfalls: "Ein Abgehen von den Grundsätzen sorgfältiger Geschäftsführung hat sich auch nicht in Ansehung von Kooperationen mit privaten Investoren und in Zusammenhang mit der Preisgestaltung bei Verwertung von Miet- oder Eigentumsobjekten ergeben."
Die "Wiener Zeitung" wird die Erkenntnisse des Verfahrensrichters Wolfgang Pöschl zu den diversen Untersuchungssträngen des Ibiza-U-Ausschusses in den kommenden Wochen zusammenfassen.