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Ovid, Odysseus, Catull und Campino, die Red Hot Chili Peppers oder die Fantastischen Vier -unterschiedlicher können doch Interessen nicht sein, möchte man meinen. Doch der Dichter und Schriftsteller Christoph W. Bauer verbindet antike wie moderne Welten gekonnt in seiner eigenen Welt aus Sprache.
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Er wurde 1968 in Kärnten geboren, wuchs in Tirol auf und lebt heute in Innsbruck. Seine Berufswahl ist für viele ungewöhnlich und es ist wohl auch nicht immer die einfachste Art, dem Leben zu begegnen. Christoph W. Bauer ist Dichter, Schriftsteller. Doch seine Welt und seine Arbeit beschränken sich nicht auf die Seiten zwischen zwei Buchdeckeln. Denn die Literatur des Autors lebt auf ungewöhnliche Weise und beweist enorme Alltagstauglichkeit.
Einzigartiger Zugang. Wer Gedichte langweilig und Sprache nur als nützlich empfindet, wird im Gespräch mit Christoph W. Bauer oder bei der Lektüre seiner Bücher schnell eines Besseren belehrt. So gelingt dem unkonventionellen Menschen und Schriftsteller auch das, was viele vergeblich versuchen: Er begeistert Menschen für Sprache und Literatur, die damit eher weniger zu tun haben. Er pendelt zwischen Punk und Poesie. "Sprache ist für mich Dynamik, Energie, auch Beschwörungsformel und Verweigerung des fluxus temporis, und genau diese Elemente habe ich unter anderem in der Punkmusik gefunden", sagt einer, der sich immer noch über jedes neue Album der Toten Hosen freut und schmunzelnd hinzufügt: "poetry is a punkrocker".
Catull trifft Campino, Ovid die Red Hot Chili Peppers. Sprache, Rhythmus, Ausdruck und Wirkung. Ob antike Dichter wie Ovid oder Catull, ob Musikbands wie die Toten Hosen, die Red Hot Chili Peppers, REM oder deutscher Hip Hop der Fantastischen Vier - für Christoph W. Bauer ist Sprache dann spannend, wenn sie mit stilistischen Mitteln zu spielen versteht, wenn ihr Ausdruck stark und die Wortwahl geistreich ist. "Und das ist bei Ovid eben genauso der Fall wie bei der deutschen Rap-Gruppe Die fantastischen Vier." Qualität ist ein Kriterium, das sich nicht auf nur eine Richtung einschränken lässt, so Bauer. Jungen Menschen liegt eben die Rock- und Popmusik näher als antike Schriftsteller: "Ist das Verständnis erst mal geweckt, sind auch junge Menschen für viele Themen und Facetten offen. Vor allem wenn klar ist, dass auch diese moderne Kunst Wurzeln bis in die Antike hat. Das eröffnet neue Blickwinkel." In vielen Workshops bringt der engagierte Schriftsteller die Welt der Sprache Schülern oder Interessierten näher. Die Arbeit mit jungen Menschen gefällt ihm, seine ungewöhnlichen Zugänge zu Themen weckt Begeisterung beim Publikum, macht Spaß.
Alltagstauglichkeit von Lyrik. Dass seine Texte und Gedichte nicht nur zwischen Buchrücken gut aufgehoben sind, hat Christoph W. Bauer immer wieder gezeigt. Texte werden in den Alltag, in tägliche Abläufe integriert und damit einem breiteren Publikum präsentiert. Ein Beispiel für einen ungewöhnlichen Ort ist der Operationssaal des plastischen Chirurgen Carlo Hasenöhrl. In seinem Innsbrucker Ärztehaus steht ein Gedicht des Dichters an der Decke des Operationssaals. Wer hier auf seine Behandlung wartet, kann sich in der lyrischen Welt die innere Ruhe holen. Hasenöhrl war fasziniert von Bauers Umgang mit Sprache: "Ich wollte meine Patienten in der Phase des mulmigen Gefühls, das unweigerlich aufkommt, wenn man auf einem Operationstisch liegt, auf andere Gedanken bringen und habe deshalb die Mobilität des Wassers auf die Decke schreiben lassen." Das Echo der Patienten ist durchwegs sehr positiv, ab und zu kommt auch einmal eine Diskussion über den Inhalt auf. Es ist auch Ausdruck des Kontrastes, der gefällt. Hasenöhrl weiter: "In einer Hightech-Welt wie der der Plastischen Chirurgie, die keinen Spielraum für Interpretationen lässt, ist Lyrik ein wunderbarer Kontrast, der die menschliche Seite der Medizin unterstreicht." Projekte wie diese machen dem Autor Spaß, der auch andere unkonventionelle Projekte realisiert hat. So ging der junge Dichter auf die legendäre "Bögen-Tour" in Innsbruck, die wie eine Konzerttour konzipiert war. Mit DJ L.A. tingelte man entlang einer einzigen Straße, entlang der sogenannten Bogen-Meile, von Lokal zu Lokal, spielte täglich in einem anderen, legte Musik auf und Bauer hielt je eine Lesung für genau eine halbe Stunde aus seinem Buch "supersonic".
"Ich freue mich immer, wenn Menschen offen sind für ungewöhnliche Projekte", so Christoph W. Bauer. Auch der Schauspieler Harald Krassnitzer ist ein großer Fan von Bauers Lyrik und unterstützt die Arbeit eines Autors, der sich mehr und mehr auch dem Theatergenre zuwendet. So kam 2006 Bauers erstes Theaterstück "Miles G." zur Uraufführung, ein Stück, für das der Autor den Miles Gloriosus des altrömischen Dichters Plautus als Vorlage verwendet. "Das Stück handelt von Heldenbildern und wie mit solchen heute noch Politik gemacht wird. Die Arbeit am Theater war ein großes Vergnügen, ich hatte ein mehr als zwanzigköpfiges Ensemble zur Verfügung, da war plötzlich wieder diese Dynamik, diese Energie." Wen wundert es da, dass Bauer seinen Miles Gloriosus "Hier kommt Alex" singen lässt.
Die Werke des Künstlers. Es gibt Künstler, die in ihren Branchen arbeiten und ein bisschen etwas von Popstars haben. Michael Mittermaier ist das vermutlich unter den Kabarettisten, Christoph W. Bauer bei den Autoren.
Modern, unkonventionell und anspruchsvoll, gegen die Fassade und für das Eigentliche. "Ich mache ja kein Hehl daraus, dass ich kein Fan des herkömmlichen Literaturbetriebs bin. Hier ist so vieles ritualisiert, selbst das Öffnen der Schublade, aus der man eine Autorin oder einen Autor zieht. Und diese Zurschaustellung des Autorendaseins, dieses Gehabe - schrecklich! Wobei dieses Gehabe natürlich auch eine Form des Spiels ist, vielleicht eine Art Schutzmechanismus, eine Maske." Auf Masken setzt Bauer vor allem in seiner Arbeit, "das Ich ist nichts anderes als eine Erfindung der Poesie", und so spannt er anhand von Figuren einen Spagat zwischen umfassend historischem Wissen und musikalischem Rhythmus. Christoph W. Bauer ist bekannt dafür, dass er mit Leichtigkeit zwischen den Epochen wechseln kann. Er verbindet Altertum mit Moderne, holt Helden der Antike in ein gegenwärtiges Umfeld, kennt die Figuren und Protagonisten der Renaissance genauso wie die des Barock oder des Klassizismus. Und dann spielt er gedanklich wie sprachlich mit Versatzstücken aus deutschem Hip Hop und amerikanischem Pop. Technisch erinnern seine Szenen zum Teil an Schnitttechniken aus Filmen, dann findet man viele Passagen in antiken Versmaßen wie Jamben und Trochäen. Aus all diesen Ecken und Enden, die ihn inspirieren, webt er ein eigenständiges Werk höchster Sprachqualität.
Anerkennung für diese hohe Form der Kunst hat er von vielen Seiten erhalten. Seine Lyrikbände, Prosawerke, Theaterstücke und dramatische Szenen haben ihm viele Preise eingebracht, wie u.a. den Literaturpreis für Lyrik der Akademie in Graz 2001, den Reinhard-Priessnitz-Preis 2001 sowie den Kelag-Publikumspreis beim Bachmann-Wettbewerb 2002.
Im September 2007 erschien sein neuestes Werk "Im Alphabet der Häuser. Roman einer Stadt". Das Buch sei ein Versuch, gegen diese Tendenz anzuschreiben, die unmittelbare Umgebung nur noch als reine Kulisse auf einer Bühne der Selbstdarstellung wahrzunehmen, sagt Bauer: "Die Protagonisten des Buchs sind Häuser, sie sind nicht nur die steinernen Zeugen einer Zeit, sie sind diese Zeit selbst. Und Häuser haben viel zu erzählen." Als Schauplatz für seinen Roman verwendet Bauer die Stadt, in der er lebt, aber es gehe in dem Buch nicht primär um Innsbruck, "sondern darüber, wie man mit Geschichte umgeht, wie man Geschichte erzählen kann, ausgehend vom konkreten Ort, von der konkreten Person, eben vom konkreten Haus."
Auf die Frage, was ihn antreibt, antwortet Bauer: "Die Angst vorm Stillstand. Dagegen anzuschreiben ist Sisyphos-Arbeit, täglich dieser Stein am Buckel. Doch Menschen, mit denen ich aufgewachsen und heute noch befreundet bin, sind unter anderem Maurer, ich darf mich also wirklich nicht beklagen." Als weitere Motivation nennt er die Lust, mit Erwartungshaltungen zu brechen - auch auf die Gefahr hin, beim Publikum und der Kritik durchzufallen. "Aber es gibt nichts Schlimmeres, als auf eine einmal mehr oder weniger erfolgreich erprobte Methode zu setzen und sich selbst zu kopieren."
Dennoch, die Erwartungen seiner Leser und Fans sind hoch - doch Christoph W. Bauer ist einfach erfrischend anders, erfrischend unkonventionell, eigenständig und unabhängig. "Ein Haus bekam ich vor die Nase gesetzt, ein Haus ums andere, bis mein Blick zugemauert war und ich eine Geschichte erfand, um wieder sehen zu können.
buchtipps
WEGE VERZWEIGT. Gedichte. (1999)
+++ DIE MOBILITÄT DES WASSERS MÜSSTE MAN MIETEN KÖNNEN. Gedichte (2001)
+++ FONTANALIA. Fragmente (2003)
+++ AUFSTUMMEN. Roman (2004)
+++ SUPERSONIC. LOGBUCH EINER REISE INS VERSCHWINDEN. Gedichte (2005)
+++ IM ALPHABET DER HÄUSER. Roman einer Stadt