Zahlenmäßig sieht die Wiener SPÖ anders aus, als sie oft dargestellt wird. Eine Analyse.
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Wien. Die Flügelkämpfe innerhalb der Wiener SPÖ erreichen dieser Tage einen Höhepunkt und die Spekulationen, wer gehen muss und wer kommen wird, werden immer phantasievoller. Wobei im engsten Umfeld von Bürgermeister und SPÖ-Landesparteivorsitzenden Michael Häupl einmal mehr betont wird, dass in Wirklichkeit niemand etwas Genaues weiß, da Häupl sich zwar gerne beraten, aber nicht in die Karten schauen lasse. Aber alle sind sich gewiss, dass der große Umbau sehr bald stattfinden wird.
Die "Wiener Zeitung" hat sich deshalb zahlenmäßig umgeschaut, vor welchem Hintergrund sich der Veränderungsprozess abspielt. Zur Erinnerung: Im Herbst 2016 forderten Vertreter der Flächenbezirke Floridsdorf, Donaustadt, Simmering und Liesing Häupl auf, seine Nachfolge zu regeln. Die rebellierenden Bezirke stehen für einen Kurs, der die Partei für FPÖ-affine Wähler wieder attraktiver machen soll. Auf der anderen Seite befindet sich der Flügel mit Gesundheitsstadträtin Wehsely, Integrationsstadträtin Sandra Frauenberger sowie Finanzstadträtin Renate Brauner, die an der FPÖ gar nicht anstreifen und die Zusammenarbeit mit den Grünen forcieren wollen.
Schließlich hat Häupl angekündigt, dass noch im Jänner ein personeller Umbau stattfinden werde und man darüber in der Vorstandstagung kommende Woche reden werde. Erwartet werden jedenfalls "umfassende Veränderungen", denn es geht um kein geringeres Vorhaben, als wieder Frieden in die stark zerrüttete Wiener SPÖ zu bringen.
Hinter der gespaltenen Partei stehen immerhin 45.000 Parteimitglieder - exklusive der Vorfeldorganisationen. Gemessen an der realen Mitgliederzahl handelt es sich dabei um die größte Stadtpartei Europas. Interessant ist dabei der Umstand, dass es sich bei der Wiener SPÖ um eine relativ "alte" Partei handelt, beträgt doch das Durchschnittsalter ihrer Mitglieder 61,6 Jahre. Wobei die "ältesten" Bezirksorganisationen in Hietzing, Döbling und Liesing zu finden sind. Der Bezirk mit dem niedrigsten Durchschnittsalter ist der Alsergrund mit 56 Jahren. Eine Verjüngung könnte also bei einem Veränderungsprozess durchaus ein entscheidungsbringender Faktor sein.
Meisten Parteimitglieder in Floridsdorf und Favoriten
Relevant könnte auch die Mitgliederdichte in den einzelnen Bezirken sein - sowie auch welche Mandatare aus welchen Bezirken kommen. Denn immer wieder kam die Kritik vonseiten der "Rebellen", dass nicht die Gremien, sondern eigentlich ihre Bezirke die Mehrheit innerhalb der Partei darstellen würden. Und das sollte sich auch in der Stadtregierung widerspiegeln, so die Forderung.
In diesem Zusammenhang stellt Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy "seine" Donaustadt immer wieder gerne als größte Bezirksorganisation Österreichs dar. Tatsächlich ist das aber Linz. Selbst in Wien ist sie in Wahrheit nur die drittgrößte: Am meisten Parteimitglieder hat Floridsdorf, gefolgt von Favoriten. Auf Platz vier und fünf folgen dann schon die Leopoldstadt und Ottakring - ausgerechnet jene Bezirke, die von den "Rebellen" gerne als "Bobo-Bezirke" bezeichnet werden.
Auch die Einteilung der Streithähne in Innen- und Außenbezirke - also wo einerseits von "realitätsfremden Caffè-Latte-Trinkern" gesprochen wird und andererseits von "mit der FPÖ liebäugelnden Faymann-Rächern" - erscheint in diesem Kontext schwer nachvollziehbar, zumal es sich etwa bei Ottakring kaum um einen Innenbezirk handelt.
Ottakring stellt im Übrigen zwei Personen in der Stadtregierung: Bürgermeister Michael Häupl und Umweltstadträtin Ulli Sima. Der 2. Bezirk stellt mit Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely auch ein Regierungsmitglied. Nach der Größe und der Mitgliederzahl gemessen, scheint das auch durchaus nachvollziehbar - sofern man dem Proporzgedanken folgt. Weniger verständlich ist dieser Logik folgend wiederum, dass Margareten mit Finanzstadträtin Renate Brauner und Bildungs- und Integrationsstatdrätin Sandra Frauenberger zwei Stadträtinnen stellt, obwohl der Bezirk klein ist und sich im unteren Drittel der Parteimitgliederzahl befindet. Aber dafür hat Margareten auch keinen Gemeinderat.
Floridsdorf hat mit Michael Ludwig einen Stadtrat (Wohnbau) und mit Harry Kopietz einen Landtagsvorsitzenden. Ganz im Gegensatz zu Favoriten - jener Bezirk, der schon seit Jahrzehnten diesbezüglich durch die Finger schaut. Und das ist sozusagen historisch bedingt, weil sich dem Vernehmen nach die Bezirksorganisation schon vor mehr als 20 Jahren gegen Häupl als Bürgermeister ausgesprochen hatte.
Die Donaustadt wiederum stellt mit Muna Duzdar immerhin eine Staatssekretärin und den Gemeinderatsvorsitzenden Thomas Reindl. Insofern dürfte sich eigentlich niemand beklagen. Immerhin befinden sich summa summarum die meisten Top-Positionen auch in den Top-Bezirken - gemessen an den Parteimitgliedern. Was allerdings die Frage aufwerfen könnte, wie sinnvoll es eigentlich ist, in der Besetzung von Spitzenpositionen ausschließlich die Interessen von Bezirken oder auf anderer Ebene auch Gewerkschaften zu bedienen. Aber das ist eine andere Geschichte.
Mehr Einkommen in Donaustadt als im Alsergrund
Interessant ist weiters, dass sich die Flächenbezirke auch oft gerne als die "noch echten Arbeiterbezirke" bezeichnen - wo sie doch in Sachen Jahreseinkommen im Ranking relativ weit vorne liegen. So ist etwa die Donaustadt noch vor Landstraße und Alsergrund auf Platz 9. In Floridsdorf verdienen die Menschen durchschnittlich mehr als in Hernals oder in der Leopoldstadt. Selbst Simmering liegt in diesem Ranking vor Margareten oder Ottakring.
Und auch der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund konzentriert sich auf Rudolfsheim-Fünfhaus, Brigittenau, Margareten und Ottakring - das sind im Übrigen auch jene Bezirke, in denen der Abstand zur FPÖ in Prozentpunkten um einiges höher liegt als in den Flächenbezirken (siehe Grafik).