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Die Macht der Pensionisten und das verdrängte Pensionsproblem

Von Karl Ettinger

Politik
Einmal mehr dreht sich gerade vor einer Wahl alles um mehr Geld durch günstigere Regelungen für Pensionisten.
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Stark gestiegene Beitragseinnahmen haben neben Sparmaßnahmen den Zuschussbedarf aus dem Budget gebremst. Vieles hängt aber an der guten Wirtschaftslage. 38.000 Personen wechselten in zwei Jahren als Arbeitslose in die Pension.


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Wien. Es ist kein Wunder, dass nicht nur Sozialministerin Brigitte Zarfl und Finanzminister Eduard Müller ins Palais Epstein neben dem im Umbau befindlichen Parlamentsgebäude am Ring kommen werden. Auch die Spitzenvertreter der drei größten Parlamentsparteien ÖVP, SPÖ und FPÖ haben den Seniorenorganisationen für heute, Mittwoch, um 11 Uhr rasch ihr Kommen zum Pensionsgipfel zugesagt. Schon im Voraus haben sie ihre Zustimmung für eine gestaffelte Extrapensionserhöhung noch vor der Nationalratswahl am 29. September für 2020 signalisiert.

Einmal mehr dreht sich gerade vor einer Wahl alles um mehr Geld durch günstigere Regelungen für Pensionisten. Das Wort Pensionsreform, das schon unter der türkis-blauen Bundesregierung, praktisch nur mehr von Experten in den Mund genommen worden ist, ist tabu. Das liegt vor allem auch daran, dass die gute Konjunktur in den vergangenen Jahren als Bremse für die notwendigen Milliardenzuschüsse aus dem Budget gewirkt hat.

42 Prozent der Wahlberechtigten über 55

Die Macht der Pensionisten liegt in ihrer Zahl. Mehr als zwei Millionen Menschen beziehen eine Pension. Immerhin 42 Prozent der Wahlberechtigten sind älter als 55 Jahre. Die Wähler, die älter als 51 Jahre sind, stellen die Mehrheit, wie Ökonom Denes Kucsera vom Institut Agenda Austria im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" hervorhebt. Das ist einer der Gründe, warum die außertourliche Anhebung über das gesetzliche Ausmaß von 1,8 Prozent hinaus, mit der die Teuerung abgegolten wird, vor der Wahl als sicher gilt. Die Chancen stehen gut, dass das Forderungspaket der Seniorenvertreter weitgehend erfüllt wird. Diese verlangen für Pensionen bis 1250 Euro brutto im Monat statt 1,8 Prozent mehr eine Erhöhung um 3,6 Prozent. Von 1250 Euro bis zur ASVG-Höchstpension von 3477 Euro brutto soll die Erhöhung auf 1,8 Prozent eingeschliffen werden. Für höhere Pensionen, vor allem damit für Beamte, soll es nach diesem Wunsch 1,8 Prozent mehr geben.



Mehrkosten. Das hätte in Summe Mehrkosten von 1,1 Milliarden durch die Pensionserhöhung zur Folge. Davon wären 700 Millionen Euro für die reguläre Anhebung um 1,8 Prozent und 400 Millionen brutto für die Extraerhöhung. Die Seniorenvertreter haben die Mehrkosten netto nur mit 100 Millionen Euro beziffert, 300 Millionen Euro würden durch höhere Steuern und verstärkten Konsum an den Staat zurückfließen. Ökonom Kucsera bezweifelt das massiv und rechnet mit Mehrkosten von 200 Millionen Euro netto.

Bundeszuschüsse. Die gute Wirtschaftslage, zuletzt insgesamt sinkende Arbeitslosenraten und der Anstieg auf rund 3,7 Beschäftigte haben in den vergangenen Jahren vorerst zu einer Entschärfung der Probleme um die Pensionsfinanzierung wesentlich beigetragen. Allein die Pensionsversicherungsanstalt, die knapp zwei Millionen Pensionen auszahlt und im vergangenen Jahr 104.000 Pensionen neu zuerkannt hat, konnte von 2017 auf 2018 einen Zuwachs der Beiträge um 5,8 Prozent verzeichnen.

Nach Angaben des Sozialministeriums aufgrund des Bundesrechnungsabschlusses lag damit der Bundeszuschuss zu den Pensionen für ASVG-Versicherte, Bauern und Gewerbetreibende im Ruhestand im Vorjahr bei knapp 9,4 Milliarden Euro. Damit ist er gegenüber 2014 mit 10,1 Milliarden Euro gesunken. Zum Vergleich: Vor 25 Jahren lag der Zuschuss erst bei 4,3 Milliarden Euro. Ursprünglich war im langfristigen Budgetrahmen bis 2020 sogar ein Hinaufschnellen des Zuschusses auf gut 13 Milliarden Euro prognostiziert worden. Zum Bundesbeitrag kommen aber noch rund neun Milliarden Euro an Aufwendungen für Beamtenpensionen.

Zum Einbremsen des Bundeszuschusses in den vergangenen Jahren haben auch Pensionsreformen von SPÖ und ÖVP beigetragen. So gab es etwa Verschärfungen bei den Hackler-Frühpensionen für Langzeitversicherte ab 2014. Dazu kam, dass die Pensionisten selbst 2013/14 mit der Erhöhung der Pensionen unter der Teuerungsrate ihr Scherflein beigetragen haben.

Pensionsantrittsalter. An einem der Hauptprobleme hat sich in Österreich allerdings wenig geändert. Die Österreicher gehen im Durchschnitt gerechnet weiter zu früh in Pension. Das Pensionsantrittsalter lag im Vorjahr laut Pensionsversicherungsanstalt insgesamt für Männer und Frauen im Schnitt bei 60,4 Jahren. Damit ist es niedriger als 1970 mit 61,3 Jahren. Würden die Österreicher im Schnitt um ein Jahr später den Ruhestand antreten, würde man sich bei den Pensionsausgaben zwischen einer bis zu 1,7 Milliarden Euro sparen. Bei den Beamten lag es im Vorjahr im Schnitt bei 62,1 Jahren. Allerdings lag es in einzelnen Bundesländern, etwa bei Wiens Gemeindebeamten, im Schnitt in der Vergangenheit deutlich unter 60 Jahren.

Viel länger in Pension. Mit dem im Durchschnitt frühen Pensionsantrittsalter ist eine weitere Entwicklung verknüpft, die weitreichende Auswirkungen auf das Problem der Pensionsfinanzierung hat. Die Lebenserwartung der Österreicher ist gleichzeitig deutlich gestiegen. Sie liegt bei einem Mann, der jetzt geboren wird, bei 79,4 Jahren und bei Frauen bei 84 Jahren. Das bedeutet, dass die Österreicher nun im Durchschnitt viel länger im Ruhestand sind und damit auch die Zeit der Pensionsauszahlung wesentlich länger geworden ist. Agenda Austria hat errechnet, dass 2016 Männer im Schnitt 21,5 Jahre in Pension waren. Bei Frauen, bei denen bis 2024 in der gesetzlichen Pensionsversicherung das Pensionsalter noch bei 60 Jahren liegt, waren es im Schnitt 26,7 Jahre. 1970 konnten Männer im Schnitt 13,7 Jahre, Frauen 18,5 Jahre in Pension sein.

Wie die Agenda Austria hat die EU-Kommission erst heuer im Juni Österreich daher zu weiteren Pensionsreformen und einer automatischen Anhebung des Pensionsalters mit der steigenden Lebenserwartung gemahnt. Von politischer Seite ist das allerdings - mit Ausnahme der Neos - über die Parteigrenzen hinweg zuletzt stets abgelehnt worden.

Von Arbeitslosigkeit in Pension. Vor allem die SPÖ und die von ihr dominierten Arbeitnehmerorganisationen Arbeiterkammer und ÖGB haben bei den Diskussionen, dass die Österreicher länger im Beruf bleiben sollten, auf die schwierige Situation für Ältere auf dem Arbeitsmarkt verwiesen. Deshalb fordern sie die Wiedereinführung der Aktion 20.000 für ältere Beschäftigte. Tatsächlich ist Ende Juli dieses Jahres die Arbeitslosenrate um insgesamt 4,5 Prozent auf 325.206 inklusive Schulungsteilnehmern zurückgegangen. Bei den älteren über 50 Jahren mit 90.143 Betroffenen ist sie hingegen weiter gestiegen.

Nach Daten des Arbeitsmarktservice (AMS) für die "Wiener Zeitung" sind von Juni 2017 bis Juni 2019 immerhin 37.988 Personen von der Arbeitslosigkeit in die Pension gewechselt. Monatlich waren es in diesen zwei Jahren jeweils zwischen 1344 und 1702 Personen.