Gastkommentar: Zu Beginn ihrer zweiten Dekade positionieren sich die Brics-Staaten ambitioniert als Faktor einer multipolaren Weltordnung. Wenn ihre Zusammenarbeit funktioniert, kann vielleicht auch Globalisierung insgesamt gelingen.
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Seit rund zehn Jahren arbeiten die Schwellenländer Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika als Brics zusammen. Entstanden vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise 2008 und mit vorerst vor allem makro-ökonomischer Orientierung, hat sich die Gruppe gut und mit vielfältigen Zielsetzungen in der internationalen Landschaft positioniert. In gewisser Weise macht die Brics-Gruppe auch die zunehmende geostrategische Multipolarität augenfällig.
Gemeinsam sind die Brics-Länder für rund 50 Prozent des globalen Weltwirtschaftswachstums zuständig; 42 Prozent der Weltbevölkerung leben in Brics-Staaten. Erklärte politische Priorität ist eine bessere Vertretung der Interessen des globalen Südens im Zuge der Globalisierung. Nicht von ungefähr wird die Kooperation im Brics-Rahmen daher in Washington als eine Herausforderung für die bestehende globale Weltordnung gesehen. Ein Teilziel ist die bessere Vertretung der Entwicklungs- und Schwellenländern in den immer noch vom Westen dominierten internationalen Finanzinstitutionen. Die Gründung der Brics-Bank (New Development Bank - NDB) führte zu einer Ergänzung der bestehenden internationalen Finanzarchitektur; in Kürze wird die NDB grüne Anleihen unter anderem zur Finanzierung von Erneuerbare-Energie-Projekten auflegen.
Die Ergebnisse des heurigen Gipfeltreffens der Brics-Staats- und Regierungschefs im chinesischen Xiamen lassen sich in drei Kategorien darstellen:
Politisch und sicherheitspolitisch ging es vor allem um Cyber-Sicherheit, Terrorismus-Bekämpfung und Energie-Sicherheit; ein Bekenntnis zu Multilateralismus und zur Arbeit der Vereinten Nationen wurde abgelegt.
Die wirtschaftliche Kooperation - der Gipfel begann mit einem Wirtschaftsforum von rund 1000 Teilnehmern - soll ausgebaut werden, wobei große und wachsende Ungleichgewichte bei Handel und BNP zwischen Brics-Staaten (insbesondere Südafrika und Russland kämpfen wirtschaftlich sehr, China ist übermächtig) eine Herausforderung sind.
Der Austausch "people-to-people" - also auf den Gebieten Kultur, Kunst, Wissenschaft, Ausbildung, Tourismus - zwischen den Brics-Staaten soll gefördert werden.
Unterschiedliche Wünsche
Ob es weiter in Richtung Institutionen-Aufbau und Formalisierung der Zusammenarbeit gehen wird, wie sich das China offen wünscht, ist unklar. Brasilien etwa zieht eine pragmatische Zusammenarbeit vor, die sich auch in Zukunft daran orientieren soll, in welchen Gebieten für alle Brics-Staaten Vorteile und Gewinne erarbeitet werden können. Südafrika, das von China den Vorsitz für 2018 übernimmt, will vor allem die Kooperation mit den Staaten in der eigenen Region intensivieren. Neue Möglichkeiten eröffnet auch die Brics-Netzwerk-Universität, in der mehr als 50 nationale Universitäten zu Themen wie Wasser, Energie, Ökologie, Wirtschaft und vergleichenden Brics-Studien kooperieren werden.
Für China ist der Brics-Vorsitz 2017 ein weiterer Baustein in seinem Bestreben der vergangenen Jahre, auf internationaler Ebene sichtbarer zu agieren und politisches Leadership auszuüben, das dem wirtschaftlichen Gewicht Chinas entspricht. Quasi in letzter Minute wurde der Grenzstreit zwischen Indien und China über das Doklam-Plateau im Himalaya entschärft, was die Möglichkeit eines bilateralen Gespräches zwischen Indiens Premier Narendra Modi und Chinas Präsident Xi Jinping am Rande des Gipfels eröffnete. Der globale Führungsanspruch Chinas wurde durch den erfolgreichen Brics-Gipfel in Xiamen, bei dem auch im Rahmen des "Brics-Plus"-Prozesses Konsultationen mit Ägypten, Mexiko, Thailand, Tadschikistan und Guinea geführt wurden, weiter untermauert.
Ein pro-aktives Eingehen der EU auf die Bestrebungen der Brics-Länder könnte vielleicht gerade jetzt für Europa interessante Kooperationsmöglichkeiten eröffnen.
Zur Autorin
Irene
Giner-Reichl
war bis Juli 2017 Österreichs Botschafterin in Peking und ist seither Botschafterin in Brasilia.