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Die Macht der Sommerzeit

Von Francesco Campagner

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Fernsehen ist oft eine rein rituelle Handlung. Zu bestimmten Zeiten wird der Apparat - einst stolzer Mittelpunkt eines jeden Wohnzimmers - in Betrieb genommen, ganz gleich ob ein den eigenen Vorlieben entsprechendes Programm angesetzt ist oder nicht. Doch dieses tief verwurzelte Verhalten des mitteleuropäischen Bürgers kommt zwei Mal im Jahr außer Tritt. Nämlich just dann, wenn die Sommerzeit Ein- bzw. Auszug im kollektiven Bewusstsein hält. Auch heuer hat die Zeitumstellung umbarmherzig zugeschlagen. Die Stunde, die in der Nacht auf Sonntag spurlos verschwand, wirbelte die tägliche Routine kräftig durcheinander. Man ertappte sich am Sonntag des öfteren dabei, ziemlich unmotiviert den Fernseher aufzudrehen. Für eine Sendung war man zu früh, für eine andere zu spät dran.

Mit der Fernbedienung die Macht über weit mehr als 70 Fernsehkanäle in der Hand - und trotzdem verloren durch die Programme zappend, gab man ein Bild der Trostlosigkeit ab. Und fand sich am Ende des Tages vor der schwerwiegenden Entscheidung, ob man den Marx Brothers und deren Komödie "Horse Feathers" ("Blühender Blödsinn") auf arte oder Fritz Langs restauriertem Meisterwerk "Metropolis" auf ORF 2 den Vorzug geben sollte. Doch wie es die Macht des Schicksals wollte, unterschätzte der willige Geist den müden Körper. Und so musste der Videorekorder wie so oft zum Nachtdienst antreten. Für welchen Film er sich entschieden hat? Das sei nicht verraten, ein wenig privacy steht auch einem technoiden Wesen zu.