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Die Macht des Mondes

Von Manuela Hahofer

Reflexionen

Er ist tausende Kilometer von uns entfernt und trotzdem beeinflusst er uns. Die Kraft des Mondes fasziniert die Menschheit schon seit Ewigkeiten. Was ist das Geheimnis dieses Planeten? Hat er wirklich "magische Kräfte", die uns lenken?


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Die Fakten stehen fest: Der Mond ist jener Himmelskörper, der der Erde am nächsten ist. Seine Entfernung von uns beträgt 384.400 km. Bei näherer Betrachtung ist das gar nicht "ganz so weit". Zum Vergleich: Ein Flugzeug würde diese Distanz in zweieinhalb Wochen schaffen. Die Sonne ist immerhin 400 Mal weiter entfernt und 400 Mal größer. Wegen der geringeren Masse spürt man auf dem Mond das Gewicht weniger: Man wiegt nur ein Sechstel des Gewichts auf der Erde. Daher kann man zum Beispiel auch sechsmal höher springen - aber dafür auch sechsmal langsamer laufen. Der Mond ist 80 mal leichter als die Erde, und er schafft es trotzdem, die Meere zu Flutbergen von bis zu 21 Metern aufzutürmen. Und er hebt selbst festes Land in einer Vollmondnacht einen halben Meter.

Faszinierendes Gestirn. Der Mond leuchtet noch nicht mal ein Millionstel Mal so hell wie die Sonne und steuert doch das Treiben vieler Tiere und beeinflusst die Menschen. So glauben viele Menschen, dass er zum Beispiel Einfluss auf den Zyklus der Frauen hat und unseren Schlaf steuert. Manche Menschen richten sogar ihren Friseurbesuch nach den Mondphasen. Und viele glauben, dass Schlafwandler in Vollmondnächten besonders aktiv sind. Der Mond übt auf fast jeden von uns eine große Faszination aus. Milliarden von Menschen haben manchmal träumerisch, manchmal angstvoll zum geheimnisvollen Gestirn da hoch oben am Himmel geblickt. Es war jedoch Galileo Galilei, der in einer kalten Januarnacht des Jahres 1609 als Erster sein Fernrohr auf den Mond richtete. Die Linsen seines selbst gebauten Pappteleskops vergrößerten gerade einmal um das 30-fache, von optischen Fehlern und Verzerrungen ganz abgesehen. Er sah Krater, Hochländer und Meere. Heute wissen wir, dass es auf dem Mond keine Luft und kaum Wasser gibt. Unser Nachbar bietet eine trostlose, mit feinstem Staub bedeckte Wüstenlandschaft. Am Tag heizen sich Steine auf bis zu 110 Grad auf, in der Nacht fällt die Temperatur auf minus 160 Grad, und das innerhalb weniger Sekunden.

Bewiesener Einfluss. Genug der kalten Fakten - welchen Einfluss hat nun der Mond auf die Erdbewohner? Da kann man vor allem im Tierreich einige interessante Erkenntnisse feststellen: Vollmond ist zum Beispiel für viele Tiere das Startsignal zum Sex. Er ist quasi der Taktgeber für die Fortpflanzung. Für viele Tiere ist der Auslöser das Licht des Vollmondes - es steuert ihre Vermehrung. Aber es gibt auch andere Aspekte des Mondes, die von den Tieren genützt werden. So stellte man fest, dass einige Meerestiere indirekt von ihm beeinflusst werden: Sie nutzen den hohen Wasserstand bei Vollmond, um ihre Eier an Land abzulegen. Pfeilschwanzkrebse beispielsweise müssen ihre Eier dort am Strand ablegen, wo das Wasser gerade noch hinkommt. Hier sind sie sicher vor Raubfischen. Die jungen Krebse können sich so ungestört entwickeln und genau einen Monat später, wenn der Vollmond wieder für hohe Flut sorgt, wird der Nachwuchs zurück ins Meer gespült. Auch Meeresschildkröten machen sich den hohen Wasserstand zunutze.

Doch werden auch wir Menschen vom Mond beeinflusst? So rätselte man lange, ob der Zyklus der Frauen von unserem Planetennachbarn gesteuert wird. Zunächst wissenschaftlich als Humbug abgetan, gibt es jetzt neue Erkenntnisse, die aufhorchen lassen: Das ist der medizinischen Fachrichtung Chronobiologie zu verdanken. Chronobiologen beschäftigen sich mit dem Einfluss verschiedener Rhythmen auf Mensch und Tier, angefangen vom Sekundenbereich bis hin zu Jahres- und eben auch Monatsrhythmen. Forschungen der Chronobiologen scheinen erste Hinweise darauf zu liefern, dass das Licht des Vollmondes doch Einfluss auf unser Leben hat. Bislang wurde das Licht von vielen Wissenschaftern als zu schwach eingestuft, um irgendeinen Effekt auf den Menschen zu haben. Eine Studie zeigt, dass bereits eine Lichtstärke von 180 Lux einen deutlichen Einfluss auf das menschliche Hormonsystem hat und auch geringere Lichtstärken noch Effekte haben. Die Chronobiologen versuchen eine Erklärung dafür zu liefern, warum in früheren Zeiten die Frauen häufig ihren Eisprung an Vollmond hatten und ihre Periode an Neumond. Nicht umsonst wurden in vielen Kulturen Fruchtbarkeitsfeste an Vollmond abgehalten.

Der amerikanische Biologe Professor Edward Dewan aus Boston machte in den 60er Jahren ein spannendes Experiment mit Frauen, die ständig an Zyklusunregelmäßigkeiten litten: Er ließ betroffene Frauen in der Mitte ihres Zyklus drei bis vier Nächte lang beim indirekten Licht einer Lampe schlafen. Der Erfolg war verblüffend - der Zyklus begann sich zu normalisieren. Der Beweis für den Einfluss des Mondes auf uns Menschen?

Geheimnisvoller Vollmond. Umfragen zufolge glauben viele Menschen an die Kraft des Mondes - manche lassen sich auch von den Mondphasen beeinflussen. Vor allem der Vollmond scheint es uns angetan zu haben: In diesen Nächten soll es mehr Unfälle geben, es werden mehr Kinder geboren, es geschehen mehr Verbrechen oder aber man glaubt, dass die Menschen unruhiger und aggressiver sind. Bei zunehmendem Mond sei es günstig, neue Dinge zu beginnen - Hausbau, Geldinvestitionen oder ein Jobwechsel. Inzwischen gibt es in vielen Tageszeitungen neben einem Tierhoroskop auch ein Mondhoroskop - gerne gelesen, aber stimmts auch? Und wie nützlich ist der über Jahrhunderte bekannte Mondkalender? Dieser soll ja auch Aussagen über das Pflanzenwachstum geben können. Gibt es also einen Zusammenhang zwischen lunaren Rhythmen und Ernteerfolg? Das wurde am Dottenfelder Hof bei Bad Vilbel (Deutschland) untersucht. Die Forscher nahmen verschiedene Pflanzen unter die Lupe. Die Pflanzen verhielten sich unterschiedlich. Die Karotte reagierte klassisch - sie wurde vier Jahre hinweg untersucht. Wenn die Aussaat vor Vollmond erfolgte, gab es signifikant höhere Erträge bei gleichzeitig bester Qualität. Anders verhielt sich jedoch die Kartoffel. Sie erzielte bei Neumond gepflanzt höhere Erträge. Fazit: Jede Pflanze scheint unterschiedlich auf den Mond zu reagieren. Doch eines muss man deutlich sagen: Bei allen Untersuchungen zeigte sich, dass das Pflanzenwachstum in erster Linie von der Sonne beeinflusst wird. Weitere wichtige Faktoren sind Wetter, Klima und die Bodenqualität. Dagegen ist der Mondeinfluss natürlich sehr gering - das sollte bei allem Mondenthusiasmus nicht vergessen werden.

Plan nach Mond. Einige Menschen gehen sogar soweit, Arzttermine und Operationen nach den Mondphasen zu planen. Aberglaube oder Weisheit? So gibt es zum Beispiel Patienten, die sich nicht am Knie operieren lassen wollen, wenn der Mond im Tierkreiszeichen des Steinbocks steht. Da könnte es nach ihrer Meinung leicht zu Komplikationen kommen - das ist ihre feste Überzeugung. Das lässt sich so erklären: Jeder Körperregion ist ein bestimmtes Tierkreiszeichen zugeordnet, dem Stier der Hals, den Fischen die Füße usw. Wenn der Mond nun in einem Zeichen dieser Tiere steht, dann soll die zugeordnete Körperregion besonders empfindlich sein. Edgar Wunder, ein deutscher Soziologe, wollte es genau wissen - er versuchte herauszufinden, ob solche Maßnahmen gerechtfertig sind oder einfach nur als Aberglaube gesehen werden können. Er bearbeitete ca. 600 Studien, die den Zusammenhang zwischen Mond und Menschen dokumentierten. Das Ergebnis von Wunder war ernüchternd für alle Mond-Gläubigen: Er fand keinen Beweis dafür, dass die Mondphasen oder die Mondstellung Einfluss auf den Verlauf von Operationen, Häufigkeit von Geburten oder ähnliches hat. Wahrscheinlich hätten sich viele einen gegenteiligen Beweis gewünscht . . .

Trotzdem sollten wir uns den Mond nicht "entzaubern" lassen - schließlich gibt es nichts Romantischeres, als in einer lauen Vollmondnacht unseren treuen Trabanten zu beobachten. Und wer weiß: Vielleicht hat er doch mehr Einfluss auf uns Menschen als wir glauben . . .