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Die Macht des schwarzen Goldes

Von WZ-Korrespondentin Birgit Svensson

Politik

Von den Amerikanern hat König Abdullah gelernt, wie man die Wirtschaft benutzt, um Interessenpolitik zu betreiben.


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Riad/Kairo. Er galt als modern in einem konservativen Land und als mächtiger Verbündeter des Westens in der Arabischen Welt. Nun ist König Abdullah von Saudi-Arabien gestorben. In seine Regentschaft fiel die Gründung einer Universität, in der Frauen und Männer gemeinsam studieren und forschen. Als modern galt auch 2013 die erstmalige Ernennung von Frauen als Mitglieder des Schura-Rates, eine Art zweite Kammer des Parlaments, die Gesetze und Bestimmung berät, aber nicht maßgeblich darüber abstimmt.

Ansonsten konnte sich der Monarch allerdings nicht gegen die einflussreichen Islam-Gelehrten durchsetzen.

Nach wie vor ist Autofahren für Frauen verboten, herrscht islamischer Kleiderzwang und wird die Scharia Punkt für Punkt praktiziert - inklusive öffentlicher Auspeitschungen, Steinigungen und Händeabhacken nach dem Freitagsgebet. Lange wurden diese Praktiken des Wüstenstaates totgeschwiegen oder nur vorsichtig zur Sprache gebracht. Fast schon ehrfürchtig wurden die Herrscher vom Golf hofiert, wo immer sie im Westen auftauchten. Sie brachten Geld und Öl, und auf beides wollte man nicht verzichten. Denn die Abhängigkeit vom schwarzen Gold vom Golf war nahezu grenzenlos und die Investitionen der reichen Ölscheichs konnten die westlichen Volkswirtschaften maßgeblich beeinflussen. So war es nicht verwunderlich, dass nach den Terrorattacken am 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington die Sorge umging, dass saudisches Geld aus den USA abgezogen würde und damit die Wirtschaft ins Trudeln geriete. Obwohl die Flughäfen im Osten Amerikas sofort geschlossen wurden, erhielt eine Maschine nach Riad mit saudischen Geschäftsleuten an Bord eine Sondergenehmigung zum Abflug. Und dies, obwohl die Mehrheit der Attentäter saudischen Ursprungs war. Die Waffe Öl machte gefügig.

Retter in der Not

Washington schickte Militärberater und Soldaten in den Golfstaat, mietete eine Militärbasis an, um die Operation "Iraqi Freedom" (Freiheit für Irak), wie die Invasion der Briten und Amerikaner im Frühjahr 2003 und der Sturz Saddam Husseins genannt wurde, aus enger Nachbarschaft durchführen zu können. Als das irakische Öl auf dem Weltmarkt ausfiel, sprang Saudi-Arabien ein und produzierte entsprechend mehr, damit der Treibstoff nicht ausging und um eine Konstante in der Preisentwicklung sicherzustellen. Dafür wurde geflissentlich unter den Teppich gekehrt, dass die Saudis in den irakischen Bürgerkriegsjahren 2006/07 die sunnitischen Widerstandskräfte finanziell unterstützten, die gegen die US-Besatzer Bomben- und Sprengstoffanschläge verübten.

Einen demokratischen Nachbarn wollte man unter allen Umständen vermeiden. Zehn Jahre später wird der saudische König zum wichtigen Unterstützer des Aufstandes gegen das syrische Regime von Präsident Baschar al-Assad und stellt sich an die Seite der Demokratie fordernden Rebellen. Jetzt beteiligt sich Riad an den Luftschlägen gegen Stellungen des Islamischen Staates (IS) in Syrien. Die Anti-IS-Koalition, der neben westlichen Ländern auch zehn arabische Staaten angehören, war Anfang September auf einem Gipfeltreffen im saudischen Jedda geschmiedet worden.

Vorerst letzter Schachzug der Herren vom Golf: Riad hat den Ölpreis ins Bodenlose stürzen lassen. Trotz eindringlicher Bitten anderer Opec-Staaten, die Fördermengen zu verringern und so eine gewisse Stabilität bei Angebot und Nachfrage herzustellen, bleiben die Saudis hart. Eine Ölschwemme ist die Folge. Die Preise haben sich innerhalb eines Jahres nahezu halbiert.

Von den Amerikanern hat König Abdullah gelernt, wie man die Wirtschaft benutzt, um Interessenpolitik zu betreiben. Da die militärischen Erfolge in der Region zu Wünschen übrig lassen, soll nun der Ölpreis bewirken, was die Soldaten nicht vermögen. Russland und Iran, beide stramme Verbündete Assads dürften bald ihre Großzügigkeit bei der Unterstützung des Diktators in Damaskus überdenken müssen. Dass Teheran zu einer einflussreichen Regionalmacht im Mittleren Osten aufsteigen konnte, sieht Riad als tiefe Bedrohung und gibt den Amerikanern die Schuld. Es sei unverzeihlich, dass der Irak quasi zur Dependance Teherans geworden sei. Einen Erfolg ihrer Ölpreispolitik können die Saudis bereits verbuchen. Die Erschließung neuer Ölbohrstellen in den USA ist erst einmal gestoppt. Bei einem Fasspreis von um die 50 Dollar ist Fracking zu teuer.