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Mit Trump oder Biden bewerben sich 2020 die bisher ältesten Kandidaten in den USA um das Präsidentenamt. Das befeuert Sorgen um ihre Gesundheit; der Vizepräsident wird wichtiger. "Er" könnte diesmal eine Frau sein.
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Edith Wilson war die erste Frau an der Spitze des US-amerikanischen Staates. Sie war nämlich vor über hundert Jahren de facto geschäftsführende Präsidentin. Denn ihr Mann, der Präsident Woodrow Wilson, hatte 1919 einen Schlaganfall erlitten. Sein mit ihm befreundeter Arzt wollte ihn nicht für amtsunfähig erklären; sein Zustand wurde öffentlich verschwiegen. Damit kam der Vizepräsident nicht ans Ruder. Edith Wilson kümmerte sich also bis zum Ende der Amtszeit 1920 um ihren Mann und um dessen Amtsgeschäfte. Das wäre heute nicht mehr möglich. Denn ein in den 1960er Jahren verabschiedete Zusatzartikel (der 25.) zu der US-Verfassung regelt nicht nur die Nachfolge, falls der US-Präsident vorzeitig aus dem Amt scheidet (der Vizepräsident übernimmt); sondern er regelt auch, dass man den Präsidenten auch gegen seinen Willen als amtsunfähig erklären lassen kann. Befristet oder unbefristet.
Die US-Präsidenten geben sich, wie die Staatschefs von anderen Ländern auch, gerne betont gesund und viril. Krankheiten wurden gerne verschwiegen. Oft hat das keinen merkbaren Unterschied für die Öffentlichkeit gemacht. Laut dem Magazin "The Atlantic" litten fast die Hälfte der US-Präsidenten an schweren Krankheiten oder erfuhren Verletzungen während ihrer Amtszeit. Und acht Präsidenten sind während ihrer Amtszeit gestorben.
Trotz vieler Krankheiten sind erst acht im Amt gestorben
Franklin D. Roosevelt überlebte die Präsidentschaft, auch wenn er von Polio gelähmt war. Dwight Eisenhower hatte einen Herzinfarkt und einen Schlaganfall, während er im Weißen Haus war. Und John F. Kennedy, der jüngste US-Präsident, starb bekanntlich an den Folgen einer Schussverletzung - und nicht an seinen zahlreichen Krankheiten. Eine davon war übrigens die seltene, aber gefährliche Hormonkrankheit "Addison’s Disease" - und der Hauptgrund, warum Kennedy scheinbar braungebrannt und durchtrainiert ausgesehen hatte. Es ist eine Krankheit, die zur Braunfärbung der Haut sowie zu Gewichtsverlust führt.
Es ist also schwer, über den Gesundheitszustand - und vor allem die Lebenserwartung - Prognosen abzugeben. Trotzdem ist es ein Faktum, dass sich dieses Jahr die zwei ältesten Männer bisher um das Amt des US-Präsidenten bewerben. Der republikanische Amtsinhaber Donald Trump wird bei den Wahlen im November knackige 75 Jahre alt sein. Der demokratische Herausforderer Joe Biden wird - noch - 77 sein. Gewählt wird am 3. November. Biden vollendet am 20. November sein 78. Lebensjahr.
Alter ist jedenfalls ein immer wieder kehrender Faktor, der dann erneut besprochen wird, wenn die Kandidaten vor den Kameras Verhalten an den Tag legen, das sie gebrechlich erscheinen lässt.
Trump musste eine Rampe hinunter begleitet werden
Donald Trump musste sich Anfang dieser Woche etwa an der Hand eine Rampe hinunterführen lassen. Sie war sehr steil und glitschig, verteidigte sich Trump später. Er sei die letzten Schritte außerdem heruntergerannt. Bilder sprechen, was die nicht wirklich steile Neigung der Rampe betrifft, und die Beschleunigung der Schritte, eine andere Sprache. Trump war übrigens auch an vorderster Front, als es im Wahlkampf 2016 darum gegangen ist, seine Konkurrentin Hillary Clinton als gesundheitlich angeschlagen zu diffamieren. Eine Lungenentzündung Clintons wurde vom Trump-Camp ausgeweidet.
Trumps mentaler Gesundheitszustand wird auch immer wieder in Frage gestellt. Trumps ehemaliger Sicherheitsberater John Bolton nannte ihn unter anderem "psychisch instabil". Das Weiße Haus hat am Mittwoch eine Klage gegen das Enthüllungsbuch von Bolton eingebracht.
Jüngere Frauen dürfen in die zweite Reihe vorrücken
Joe Biden wird angekreidet, dass er dazu neigt, sich in Sätzen zu verfransen. Und manchmal scheint er zu vergessen, in welchem Kontext er gerade spricht. Das ist zwar allen schon einmal passiert, wird aber im zunehmenden Alter als beginnende Demenz ausgelegt.
So oder so, es ist niemandem entgangen, dass die Präsidentschaftsbewerber heuer besonders alt sind. Deswegen wird das Amt des Vizepräsidenten umso wichtiger. Das könnte diesmal tatsächlich - und erstmalig - eine Frau bekleiden. Joe Biden hat bereits zugesichert, dass er sich eine Frau als Vizin nehmen wird. Nachdem der systemische Rassismus in den USA aufgrund des Mordes an George Floyd derzeit die Schlagzeilen beherrscht, gilt es als hochwahrscheinlich, dass Bidens Kandidatin eine Afroamerikanerin sein wird. Die Wut auf das System und Trumps Versagen, zu vermitteln, weshalb Joe Biden in den Umfragen vor Trump liegt. Trump hat zuletzt eine Polizeireform unterzeichnet, um den Behörden Mittel des Justizministeriums zur Verfügung zu stellen - nachdem viele Bundesstaaten erklärt hatten, bei der Polizei den Sparstift anzusetzen.
Eine schwarze Frau an Bidens Seite könnte seinen Vorsprung bei den nun empörten Wählern wohl ausbauen. In den Wettbüros wird derzeit der 55-jährigen Kamala Harris die besten Chancen für das Ticket eingeräumt: Die Senatorin aus Kalifornien ist einem größeren Publikum bekannt, weil sie sich auch für die Nominierung der Demokraten beworben hatte, die dann Biden zuteil wurde.
Auch die Bürgermeisterin von Atlanta, Keisha Lance Bottoms (50), die zuletzt aufgrund der Proteste versöhnliche Worte gefunden hat, gilt als potenzielle Kandidatin. Ebenso die frühere Nationale Sicherheitsberaterin Susan Rice (55) und die Ex-Regionalabgeordnete Stacey Abrams (46).
Aber auch Donald Trump wird nachgesagt, dass er diesmal eine Vizin berufen könnte. Einerseits um die Frauen nicht ganz Biden zu überlassen. Andererseits auch, um seinen bisherigen Vize, Mike Pence, öffentlich für das Desaster des Coronavirus verantwortlich zu machen, und sich von ihm zu distanzieren. Als Favoritin für eine Vizin Trumps gilt die ehemalige US-Botschafterin bei der UNO, Nikki Haley.