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Die Macron-Lehre

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Am 6. April 2016 hat Emmanuel Macron seine Bewegung "En Marche" gegründet, also vor knapp mehr als einem Jahr. Zum Vergleich: An diesem Tag wusste Christian Kern noch nicht, dass er bald Bundeskanzler in Österreich sein würde. Mittlerweile hat der 39-jährige Macron nicht nur die Präsidentschaftswahl überzeugend gewonnen, sondern mit seiner Bewegung/Partei nun auch noch die absolute Mehrheit im Pariser Parlament. Nicht nur die Konservativen und Sozialisten hat es dabei zerlegt, auch die extrem rechte Front National von Marine Le Pen schaffte zu wenig, um eine (finanziell besser gestellte) Fraktion im Parlament zu bilden.

Nun war Macron ein noch deutlicherer Sieg vorausgesagt worden, aber das ist in diesem Zusammenhang bedeutungslos. Wir reden hier von Frankreich, der zweitgrößten Volkswirtschaft im Euro-Raum, und dem "alter ego" Deutschlands in Europas Weiterentwicklung. Zudem wird Frankreich nach dem Brexit (so er wirklich kommt) die einzige Atommacht Europas sein.

In einem Land mit derart großer Bedeutung hat es innerhalb 15 Monaten eine vollständige Veränderung der politischen Landschaft gegeben. Die französischen Sozialisten haben sich mit Hollande praktisch aufgegeben, die Konservativen ziehen sich in die Provinzen zurück. Der noch im Jänner 2017 belächelte Außenseiter Macron verfügt nun über eine Mehrheit, die nicht einmal Charles de Gaulle hatte. Die Schnelligkeit des Sieges wird wohl dazu geführt haben, dass Macron nicht einmal alle seine neuen Abgeordneten kennt. Sie wurden in den Wahlkreisen aufgestellt, weil sie sich dafür interessierten.

Nun ist auch Macron kein Neuling, er war Wirtschaftsminister unter Francois Hollande – und schied frustriert aus. Seine Bewegung, die nun "Le Republique En Marche" heißt, bezeichnet sich selbst als sozial-liberal. Im Europaparlament wollen sie der liberalen Alde-Fraktion angehören, zu der auch die deutsche FDP gehört, mit der sie wenig verbindet.

Die Franzosen haben aber für eine sozial-liberale Bewegung gestimmt, und zwar überwältigend. Macron will die – im Vergleich zu Österreich – viel restriktiveren Arbeitszeit-Gesetze liberaler gestalten. Das tut not, denn gegen etliche französische Gewerkschaften ist der ÖGB eine neoliberale Veranstaltung.

Und Macron erklärt deutlich, dass er für eine stärkere europäische Rolle in der Welt ist, auf Augenhöhe mit den USA und Russland. Damit gewann er vor allem die Jugend in Frankreich, die seine Bewegung erst in Bewegung setzte. Der gestrige Sieg wird das Durchschnittsalter im französischen Parlament deutlich nach unten senken.

Nun geht auch Deutschland und Österreich wählen, in Kürze Italien. Das Interessante ist, dass Politiker unterschiedlichster Parteien Macron als ihr Beispiel wählen. Die CDU-Politikerin Angela Merkel kann offenkundig gut mit ihm. Aber auch Konkurrent Martin Schulz, der SPD-Spitzenkandidat. Matteo Renzi, der italienische Sozialdemokrat, beruft sich gleichermaßen auf Macron.

Und in Österreich? Da sind derzeit beide Regierungsparteien zu feig, um die überaus klaren Positionen Macrons zum Thema Europa, Flüchtlinge, Wirtschaftspolitik großartig zu finden. Schade, aber es ist ja noch Zeit bis zur Wahl am 15. Oktober.