Zum Hauptinhalt springen

Die Makler des Schatten-Geldes

Von Reinhard Göweil

Wirtschaft

Weltweit sind in Steueroasen etwa 32.000 Milliarden Dollar geparkt - ein gutes Geschäft für wenige.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien/Paris. Die Kanzlei Mossack Fonseca in Panama hat tausenden Superreichen dabei geholfen, ihr Geld in Briefkastenfirmen und Steueroasen zu parken. Das Geschäft ist gewaltig, die UNO schätzt das Volumen, das in solchen Steuerparadiesen diskret veranlagt ist, insgesamt auf 21.000 bis 32.000 Milliarden US-Dollar.

Mossfon oder MF, wie das weltweit tätige Unternehmen auch genannt wird, ist eines der mittleren Unternehmen in diesem blickdichten Markt. Es wurde 1977 von Jürgen Mossack gegründet, der 1948 in Deutschland zur Welt kam. Seinen gleichnamigen Vater zog es nach 1945 nach Panama, er war Mitglied der NSDAP und Mitglied der Waffen-SS. Viele Nazis flüchteten damals nach Mittel- und Südamerika, um der Strafverfolgung in Europa zu entgehen. 1986 tat sich Jürgen Mossack junior, der in Panama studierte, mit dem Anwalt und Autor Ramon Fonseca Mora zusammen. Fonseca, der in Panama auch politisch tätig war, erklärt nun, dass sein Unternehmen weder Geld wasche noch Hilfe zur Steuerhinterziehung anbiete. Es gründe nur Firmen und stelle diese Banken, Vermögensverwaltern und Steuerberatern zur Verfügung. Dazu komme die Verwaltung von Privatstiftungen in Panama.

Wohlfühl-Service zur Steuervermeidung

Ganz so harmlos, wie das alles klingt, ist das Geschäftsmodell indes nicht. Mossack Fonseca ist ausschließlich in Steueroasen wie Belize, den Niederlanden, Costa Rica, Großbritannien, Malta, Zypern, Hongkong, den Britischen Jungfern-Inseln, den Bahamas, Panama, Anguilla, den Seychellen, Samoa und den US-Bundesstaaten Nevada und Wyoming tätig. Der Clou dabei: Mossack Fonseca übernimmt die gesamte Gebarung der betreuten Unternehmen, die Namen der "wirtschaftlich Berechtigten" tauchen bei den jeweiligen Transaktionen meist nicht mehr auf.

Zeichnungsberechtigt für die Unternehmen sind zudem meist Treuhänder oder Familienangehörige, um die wahren Besitzer des Geldes zu verschleiern. Die Geldflüsse selbst sind oft schwammig definiert, was Herkunft und Grund der Überweisungen ebenso verschleiert. So erhalten solche Panama-Gesellschaften beispielsweise Kredite, deren Rückzahlung in anderen Firmen vereinbart ist. Ob es also tatsächlich ein Kredit ist oder eine "Zuwendung", bleibt offen. Ebenfalls sehr beliebt sind Beratungshonorare.

In den USA werden Steueroasen aufgebaut

Das alles findet in einem Gestrüpp von mehreren Offshore-Firmen statt, die in jeweils anderen Steueroasen ihren Sitz haben. Der Vorteil daraus: Erstens haben Länder, die sich als Steueroase finanzieren, meist Gesetze, die den Informationsfluss so gut wie unmöglich machen. Und zweitens besteht für bestimmte Transaktionen Steuerfreiheit. Dienstleister wie Mossack Fonseca kennen die jeweiligen Bestimmungen genau und bieten ihren Kunden "maßgeschneiderte Lösungen" an, wie es im Banken-Jargon heißt. Allein in den 28 EU-Ländern wird der dadurch ausgelöste Steuerentgang auf bis zu 1000 Milliarden Euro geschätzt. Angesichts der enormen Summen, die diskret über den Globus verteilt werden, keine unrealistische Schätzung.

Mossack Fonseca ist nur eine Firma unter vielen

Mossack Fonseca ist natürlich nicht das einzige Unternehmen, das sich auf Steuervermeidung spezialisiert hat. In Liechtenstein sind etliche Anwaltskanzleien (wie auch die in den "Panama Papers" genannte Sozietät Marxer & Partner in Vaduz) tätig. Der Vorteil in Liechtenstein: Diese Anwälte sind oft auch an Banken beteiligt, Marxer etwa an der Centrum Bank. Im Schweizer Lugano an der italienische Grenze gibt es mehr Finanzdienstleister als Bäcker, die britischen Kanalinseln und Luxemburg sind ebenfalls übersät mit Anwalts- und Treuhand-Kanzleien.

Die vermutlich größte Steueroase der Welt entsteht allerdings gerade in den USA, im Bundesstaat Nevada. Es klingt absurd, ist aber logisch, dass sich in den Kasino-Hochburgen Las Vegas und Reno immer mehr solcher Unternehmen ansiedeln, um diskret Geld in die USA zu schleusen. Die Privatbank Rothschild hat im September 2015 in Reno eine Trust-Holding eröffnet. Rothschild-Direktor Andrew Penney bezeichnete die USA als "größte Steueroase der Welt". Auch andere "Makler der Superreichen" wie Trident Trust, eines der größten Unternehmen, die Offshore-Geschäfte anbieten, oder die in Genf ansässige Cisa Trust sind in den USA tätig. Sie bringen - so kurios das klingen mag - Geld diskret aus der Schweiz in die USA. Denn die Schweiz wurde von den USA politisch gezwungen, das Bankgeheimnis so weit aufzuweichen, dass viele Superreiche nun ihr Geld aus dem früheren "Tresor der Welt" abziehen.

Auch die OECD-Bestimmungen gehen am Problem vorbei

Da das überwiesene Geld aus "regulierten Märkten Europas" (wie es ein Investmentbanker im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" formulierte) kommt, entfällt eine genauere Prüfung - selbst wenn es sich dabei um Schwarzgeld oder Geld aus kriminellen Aktivitäten handelt. Denn dies ist eine der großen Schwachstellen bei den Anti-Geldwäsche-Bestimmungen, die von der OECD, einer Organisation der größten Industrienationen mit Sitz in Paris, definiert werden.

Wenn bei einer Bank Geld von einer - sagen wir: durchaus umstrittenen - Person einlangt und dabei von einer anderen EU-Bank kommt, so darf angenommen werden, dass es bereits geprüft wurde. Es wird also einfach verbucht. Und die OECD-Bestimmungen sind auch nicht frei von Makel. Immerhin kommt ein schöner Teil der diskreten Milliarden aus jenen Industrieländern, von denen die OECD gebildet wird. So wurde erst vor kurzem Panama von der "Grauen Liste" gestrichen, nachdem der mittelamerikanische Staat schärfere Geldwäsche-Bestimmungen gesetzlich verankert hatte. Wie konsequent das Gesetz umgesetzt wird, stand dabei nicht zur Debatte. Schon 2013 zeigte ein "Offshore Leaks" abenteuerliche Steuer-Konstruktionen auf - damals befand sich der damalige RBI-Chef Herbert Stepic unter den Genannten. Und 2015 förderte "Swiss Leaks" zu Tage, dass etwa 30 Prozent des gesamten afrikanischen Geldvermögens offshore gehalten werden.

Ökonomische Ungleichgewichte werden bedrohlich

Der Ökonom und Vermögensforscher Gabriel Zucman schätzt im Vorjahr, dass den afrikanischen Staaten alleine daraus etwa 15 Milliarden Dollar jährlich an Steuern entgehen - andere Vermögenswerte nicht mitgerechnet. Geändert hat sich seither - außer politischen Absichtserklärungen - wenig. Steuerexperten sind daher pessimistisch, was die konkreten Auswirkungen der "Panama Papers" betrifft. Schon 2013 haben die acht mächtigsten Regierungschef der Welt (G8) in Nordirland beschlossen, Offshore-Zentren den Kampf anzusagen. Es blieb bei der Ankündigung.

Zucman rechnete vor, dass diese Offshore-Zentren beträchtlich zur ökonomischen Ungleichheit beitragen - und Gesellschaften destabilisieren: entweder in Form von Korruption, die sich in Gesellschaften wie ein Geschwür ausbreitet und das Vertrauen in Institutionen zerstört, oder in Form eines wachsenden Ungleichgewichtes bei der Steuerleistung. Wenn die obersten 5 Prozent ihre Steuerleistung minimieren, bleibt mehr bei den restlichen 95 Prozent hängen. Und auf diese vielen entfällt - so die aktuellen Studien - ohnehin nur ein Bruchteil jener Vermögenswerte, die sich ganz oben kumulieren. Und so wurden 2014 die reichsten Menschen um satte 12 Prozent reicher.