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Die Mama wird’s schon richten

Von Hanno Lorenz

Gastkommentare
Hanno Lorenz ist Ökonom bei der Denkfabrik Agenda Austria und forscht in den Bereichen Außenhandel, Armut und Verteilung, Wirtschaftsstandort und Digitalisierung.
© Markus Rössle

Kinderbetreuung ist nach wie vor in erster Linie Frauensache. Warum schaffen wir es nicht, dieses Problem zu lösen?


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Das Kinderbetreuungsangebot in Österreich muss besser werden, diese Forderung hören wir seit Jahrzehnten. In der Realität ist es zuletzt sogar schlechter geworden, wie aktuelle Zahlen der Statistik Austria zeigen: Die Zahl der Kindergartenplätze, die beiden Elternteilen einen Vollzeitjob ermöglichen, ist zurückgegangen - und zwar deutlich. Experten führen das Minus auf Personalmangel und diverse Auswirkungen der Corona-Pandemie zurück. Wenn offene Stellen nicht besetzt werden können, reduzieren die Kindergärten ihre Öffnungszeiten. Die Eltern müssen sich dann eben anders organisieren - was meistens bedeutet, dass die Mutter beruflich zurücksteckt.

Es ist beschämend, dass ein reiches Land wie Österreich aus diesem Dilemma offenbar keinen Ausweg findet. Fast die Hälfte der erwerbstätigen Frauen arbeitet in Teilzeit. Der Anteil ist in den vergangenen Jahren sogar noch gestiegen. Sehr oft geht es dabei nicht um Selbstverwirklichung oder ein aufwendiges Hobby, sondern um familiäre Betreuungspflichten. Wer Teilzeit arbeitet, verdient weniger, hat schlechtere Karrierechancen und bekommt später eine niedrigere Pension. Diese Konsequenzen werden regelmäßig lautstark beklagt - etwa am Equal Pay Day oder am Equal Pension Day. Aber es fehlt die Kraft oder der politische Wille (oder beides), um den Missstand an der Wurzel zu packen. In den Städten, vor allem in Wien, ist das Angebot schon recht gut. Doch auf dem Land haben viele Kindergärten nach wie vor nur halbtags geöffnet; jungen Müttern wird damit die Chance genommen, an ihrer Karriere und an ihrer finanziellen Selbständigkeit zu arbeiten.

Das ist längst mehr als ein individuelles Problem der betroffenen Familien. An den heimischen Universitäten stellen Frauen mittlerweile die Mehrheit der Absolventen. Nach dem Abschluss verschwinden zu viele dieser Akademikerinnen in wenig befriedigenden Teilzeitjobs. Ihr Können und ihre Fähigkeiten fehlen auf dem Arbeitsmarkt. Dasselbe gilt für Facharbeiterinnen und andere geschulte Expertinnen. Österreich lässt das Potenzial dieser Frauen einfach brach liegen.

Auch ein Blick auf die demografische Entwicklung zeigt, wie wichtig es wäre, rasch Gegenmaßnahmen zu setzen: Bis zum Jahr 2050 wird die Zahl der Menschen über 65 Jahren um fast eine Million auf dann 2,66 Millionen steigen. Im Vergleich zu heute ist das ein Plus von 56 Prozent. Der Anteil der Österreicher im erwerbsfähigen Alter (20 bis 65 Jahre) wird zugleich um 300.000 Personen auf knapp 5,2 Millionen zurückgehen. Schon jetzt finden viele Unternehmer nur sehr schwer qualifiziertes Personal. Der Mangel wird sich durch die Alterung der Gesellschaft in den nächsten Jahren noch massiv vergrößern. Es wäre viel gewonnen, wenn es endlich gelänge, heimische Frauen besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Nicht zuletzt würden auch die Kinder profitieren: Professionelle Betreuung hat nachweislich einen positiven Einfluss auf die spätere Entwicklung der Kleinen. Letztlich bleibt also nur eine Frage: Worauf warten wir noch?