Obwohl die Wirtschaft über einen Fachkräftemangel klagt, steigen die Löhne nur zaghaft.
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Wien. Seit Jahren beklagen heimische Betriebe einen eklatanten Fachkräftemangel. Und dieser soll sich in den kommenden Jahren, bedingt durch die Demografie, verstärken. In der Arbeitslosenstatistik und auf den Gehaltszetteln vieler Arbeitnehmer spiegelt sich dieser Mangel allerdings nicht wider. Es ist ein simples ökonomisches Gesetz: Wenn der Personalmangel steigt, sollten auch die Löhne, zumindest in den besonders betroffenen Branchen, auch entsprechend steigen. Dass das bisher kaum geschehen ist, hat mehrere Gründe.
Das Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft (iwb) hat einen Fachkräftemangel von rund 162.000 Personen für ganz Österreich errechnet. Im Rahmen einer Umfrage des iwb im Auftrag der Wirtschaftskammer (WKO) gaben 87 Prozent der befragten Betriebe an, dass sie den Fachkräftemangel spüren, 75 Prozent sogar sehr stark. 60 Prozent der Betriebe meinten, dass der Mangel zu Umsatzeinbußen im Betrieb führe.
Starke Lohnunterschiede
"Auf der aggregierten Datenebene sehen wir diesen Mangel nicht", sagt Thomas Leoni vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). Pro geleisteter Arbeitsstunde sind die Bruttoreallöhne seit 2011 um 0,7 Prozent gestiegen. Geht man aber etwas in die Tiefe, gibt es gewaltige Unterschiede. Und zwar zwischen Arbeitnehmern, die sich in einem langfristigen Arbeitsverhältnis befinden, und den instabil prekär Beschäftigten. Die Gehaltsschere ist auch zwischen österreichischen und ausländischen Beschäftigten besonders groß.
"In den vergangenen Jahren ist der Anteil an instabil Beschäftigten und Teilzeit gestiegen", erklärt Leoni. Rund ein Drittel der Arbeitnehmer galten zuletzt als instabil beschäftigt. Sie waren also kein ganzes Jahr durchgehend beschäftigt. Während das auf rund 27 Prozent der heimischen Arbeitskräfte zutraf, gilt laut Wifo-Erhebung jeder zweite ausländische Arbeitnehmer als instabil beschäftigt. Die meisten davon stammen aus den östlichen EU-Nachbarstaaten.
Und zwischen diesen beiden Gruppen sind die Gehaltsunterschiede auch besonders groß. Während die Reallöhne der Inländer seit 2009 um rund neun Prozent gestiegen sind, sind jene der ausländischen Arbeitskräfte um drei Prozent gesunken, wie eine Wifo-Berechnung auf Basis von AMS- und Hauptverbandsdaten zeigt.
"Es dauert sehr lange, bis sich ein Fachkräftemangel in den Löhnen niederschlägt", sagt Josef Zuckerstätter von der Arbeiterkammer Wien. "Wir erleben gerade einen sehr starken Druck am Arbeitsmarkt." Das liege zum einen am steigenden Pensionsantrittsalter, zum anderen an der Zuwanderung.
So wurden zum Beispiel 2017 50.000 Personen mehr beschäftigt als im Jahr davor. Vier von fünf neuen Stellen wurden aber mit ausländischen Staatsbürgern besetzt. Diese Personengruppe ist auch eher bereit, unter prekären Bedingungen zu arbeiten, und verhandelt selten einen Lohn über dem gesetzlich festgelegten Branchenkollektivvertrag. Und das führt naturgemäß auch nicht zu nennenswerten Lohnsteigerungen.
"Es ist für viele Betriebe derzeit wohl billiger, auf qualifiziertes Personal zu warten, als den Lohn zu erhöhen", sagt Zuckerstätter von der AK Wien. Dem widerspricht Martin Gleitsmann, Sozialsprecher der WKO: "Wir haben zuletzt sehr hohe Lohnabschlüsse erzielt. (Für die Metaller gab es ein Plus von 3,5 Prozent, für die Sozialberufe eines von 3,2 Prozent, Anm.) Außerdem wurde der Mindestlohn auf 1500 Euro erhöht." Auch Lehrlinge würden nun deutlich besser verdienen.
Unattraktive Bedingungen
Dass viele Stellen unbesetzt blieben, liege zum einen am "Ost-West-Gefälle". Betriebe in den westlichen Bundesländern haben Probleme, offene Stellen zu besetzen, während in den östlichen Bundesländern die Arbeitslosigkeit verhältnismäßig höher ist. Oft liegt der Personalmangel aber auch an den an unattraktiven Arbeitsbedingungen. Damit kämpfen etwa Gastronomie und Pflegeberufe. Die lange Arbeitszeit, körperlich schwere Arbeit und Nachtarbeit schrecken ab. Und oft scheitert es schlicht an der Qualifikation der Bewerber. Knapp die Hälfte der als arbeitslos gemeldeten Personen haben höchstens einen Pflichtschulabschluss. Auf der aktuellen Liste der Mangelberufe finden sich aber neben Pflegern Techniker, IT-Fachleute und Maschinenbauingenieure.
Während im Schnitt 70 Prozent der offenen Stellen beim AMS binnen eines Monats nachbesetzt werden können, dauert es in manchen Berufen deutlich länger. Knapp die Hälfte der betroffenen Betriebe haben zum Beispiel im Vorjahr im Schnitt drei Monate nach einem Dreher gesucht. 26 Prozent der offenen Stellen für Maschinenbauingenieure wurden nach frühestens drei Monaten besetzt.