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Prozess gegen angebliche Menschenhändler-Bande: Zwei Angeklagte erzählen zwei ganz unterschiedliche Versionen.
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Wien. Ein Menschenhändler soll Herr H. sein. 77 junge Frauen aus China hat seine Bande laut Anklage mit falschen Versprechungen von Herbst 2011 bis 2016 nach Österreich gelockt. In Sex-Lokalen in Wien soll H. sie ausgebeutet und zur Prostitution gezwungen haben. Unter anderem wegen grenzüberschreitenden Prostitutionshandels und Schlepperei ist er angeklagt. H. kann die Vorwürfe nicht nachvollziehen. Er präsentiert sich am Donnerstag vor einem Schöffensenat des Wiener Straflandegerichts als ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsmann.
In einem weißen Hemd sitzt er vor der vorsitzenden Richterin Martina Hahn. Offiziell war der Chinese, der seit 22 Monaten in U-Haft sitzt, als Koch in einem Restaurant gemeldet. Er betrieb allerdings auch mehrere Sex-Studios in Wien - als Geschäftsführer setzte er chinesische Frauen ein, die ebenfalls angeklagt sind.
"Man musste ihr helfen"
Die Sexarbeiter habe er über Inserate angeworben, die er online in chinesischen Zeitungen geschalten habe, erklärt H. bei seiner Vernehmung. Keineswegs seien den chinesischen Mädchen falsche Versprechungen gemacht worden: Die Anklage wirft der angeblichen Bande vor, den Frauen erzählt zu haben, sie könnten in Österreich legal als Babysitterinnen oder Kellnerinnen arbeiten. "Die sind gekommen, um sich zu prostituieren", sagt hingegen H.
Einmal habe sich auch eine chinesische Frau bei ihm gemeldet, die für den Chef eines China-Restaurants in Österreich als Babysitterin gearbeitet habe. "Sie hat kaum etwas zum Essen bekommen und nur 100 Euro monatlich verdient." "Überlegen Sie sich das, es geht hier um Prostitution", habe er ihr gesagt. Aber die Frau habe unbedingt bei ihm anfangen wollen. "Sie konnte nichts essen. Man musste ihr helfen."
Er sei zwar schuldig, Frauen für die Prostitution angeworben zu haben - in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen oder in dem sie sich gewöhnlich aufhalten (§ 217 Abs 1 StGB). Mit der Einreise der Frauen aus China habe er aber nichts zu tun gehabt: "Die haben sich selbst um die Reise und das Visum gekümmert." Er habe den Frauen nur die Zusage gegeben, "dass sie hier als Prostituierte arbeiten können".
Eine absolute Freizügigkeit sei den Frauen in Wien gewährt worden. Bis zu 8000 Euro netto hätten die Prostituierten monatlich verdient, meint Karl Bernhauser, der Verteidiger des Angeklagten.
Eine andere Version schildert am Donnerstag Frau C. Die 30-Jährige ist als mutmaßliches Bandenmitglied angeklagt, sie wird aber auch als Opfer geführt. C. betrieb nach eigenen Angaben mit ihrer Schwester einen Lebensmittelhandel in einer südchinesischen Stadt. Finanziell sei es ihr mittelmäßig gegangen.
"War damals nicht glücklich"
"Ich war damals mit meinem Leben aber nicht glücklich", erzählt C. Sie und ihre Schwester hätten daher beschlossen, die Heimat zu verlassen. Über eine Freundin sei sie an einen Mann geraten. Der habe ihr erzählt, dass er sie ins Ausland bringen könne. Dort könne man etwa legal als Kellnerin oder Masseuse arbeiten.
Dem Mann habe man auf sein Verlangen hin einige Dokumente per Post geschickt, damit dieser ihnen ihre Visa besorgen könne. Laut Anklage soll es sich bei diesen Einreisedokumenten um Fälschungen handeln. "Ich weiß nicht, was das für ein Visum war", meint C.
Einem anderen Mann habe man rund 9000 Euro für die Visa-Kosten und den Flug überwiesen. Ihnen sei erzählt worden, dass man in Europa viele tausend Euro monatlich verdienen werde. Um mehr habe sie sich nicht gekümmert. "Sie haben das viele Geld gesehen und haben sich gedacht: ‚Ja, das mache ich‘?", fragt Hahn. "Ja", sagt C.
2010 sei sie mit ihrer Schwester nach Wien gekommen. Dort sei man in eine Wohnung gebracht worden, in der sich einige Mädchen befunden hätten - unter anderem eine der anderen Angeklagten. Alsbald sei ihnen klar geworden, dass die Mädchen in der Wohnung der Prostitution nachgehen. Von H. seien auch sie zur Sexarbeit gezwungen worden, so C. H. habe ihnen ihr Geld und ihre Pässe abgenommen. "Er hat gesagt, dass wir ihm Geld schulden und das abarbeiten müssen."
"Wir standen in einer Reihe. Die Männer haben sich dann eine ausgesucht", schildert sie. Das Geld sei immer an eine der angeklagten Frauen übergeben worden. Sie selbst habe nichts davon gesehen. Nach einem Monat sei es ihnen gelungen, zu fliehen.
Vorwurf gegen Dolmetscherin
C. arbeitet derzeit als Prostituierte. Zum Vorwurf, dass sie selbst Menschenhandel betrieben haben soll, meint sie: "Ich habe Fremden Hilfe gewährt. Ob das strafbar ist, weiß ich nicht." Auch andere Details bleiben noch etwas im Dunklen. Zudem tut sich die chinesische Dolmetscherin mit der Übersetzung mancher Passagen ins Deutsche sichtlich schwer.
Eine Verteidigerin, die Chinesisch spricht, wirft ihr gar vor, unkorrekt zu übersetzen. Ein anderer Verteidiger will die Übersetzerin wiederum als Zeugin vernehmen lassen, weil sie bei der Polizei etwas falsch übersetzt haben soll.
Die Verhandlung wird am Dienstag fortgesetzt - ein Urteil wird für Ende März erwartet.