Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und Griechenlands Premier Antonis Samaras sehen das Euro-Sorgenkind Hellas erneut auf dem Wachstumspfad. Doch sie irren: Griechenland wird das siebte Jahr der Rezession durchschreiten.
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Athen. "Es ist sehr erfreulich, dass es in Griechenland doch recht positive ökonomische Signale gibt und die Schwelle zum Wachstum bald erreicht sein könnte", sagte kürzlich die deutsche Kanzlerin Angela Merkel beim Besuch des griechischen Ministerpräsidenten Antonis Samaras in Berlin. Ihr Kollege Samaras verzichtete sogar demonstrativ auf den Konjunktiv. "Mein Land wird nun endlich schwarze Zahlen schreiben", frohlockte er.
Der Grund für die deutsch-griechische Vorfreude: In wenigen Tagen geht das dritte Quartal zu Ende. Und: Es soll einen denkwürdigen Wendepunkt markieren. Erstmals seit dem Frühjahr 2008 wird im dritten Quartal des laufenden Jahres wieder ein Wirtschaftswachstum in Athen erwartet. Wohlgemerkt: nach sagenhaften vierundzwanzig Quartalen in Folge mit einer rückläufigen Wirtschaftsleistung.
Die Wirtschaftsleistung ist um ein Viertel geschrumpft
In der längsten Rezession nach dem Zweiten Weltkrieg ist die hellenische Wirtschaftsleistung um ein fulminantes Viertel geschrumpft. Die beispiellose Talfahrt der hellenischen Wirtschaft nahm im dritten Quartal 2008 ihren Anfang, mit einem denkbar leichten Minus von 0,1 Prozent. Der stärkste Rückgang erfolgte dann im vierten Quartal 2010: Um stattliche 9,2 Prozent schrumpfte damals das BIP.
Im abgelaufenen zweiten Quartal 2014 ist die griechische Wirtschaftsleistung indes nur noch um 0,3 Prozent geschrumpft. Für die Athener Regierung und Griechenlands öffentlicher Gläubiger-Troika aus EU, EZB und Internationalem Währungsfonds, die das Euro-Land im Frühjahr 2010 im letzten Moment vor dem ungeordneten Staatsbankrott rettete und seither 240 Milliarden Euro an Athen überwiesen hat, war das Anlass genug, prompt vor Zuversicht zu sprühen. Ihre einhellige Diagnose: Von jetzt an geht es mit Hellas wieder aufwärts.
Die erfreuliche Prognose, die zuletzt geradezu gebetsmühlenartig von Athen und der Troika propagiert wird: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) werde in diesem Jahr zu Füßen der Akropolis im Vergleich zum Vorjahr wieder leicht wachsen, um 0,6 Prozent auf 182,9 Milliarden Euro. Auch bei anderen Euro-Krisenländern wird Wachstum erwartet, bei Irland um die drei Prozent, bei Spanien um rund ein Prozent. Träte die Prognose auch bei Hellas ein, wäre die Botschaft klar: Griechenland, Ursprungsland und Epizentrum der Euro-Krise, hat endlich die Wende geschafft. Und: Das verabreichte Medikament, der fortgesetzte brachiale Austeritätskurs, zeigt nun in Athen seine heilende Wirkung, so die Lesart.
Nur: Merkel, Samaras und Co. haben sich zu früh gefreut. Aus der erhofften Rückkehr zum Wirtschaftsaufschwung mit seiner geballten Symbolkraft wird nichts werden, zumindest in diesem Jahr nicht. Vielmehr wird 2014 das siebte Jahr in Folge sein, in dem Griechenland in der Rezession stecken wird.
Dies gilt auch dann, falls in Griechenland in den beiden letzten Quartalen des laufenden Jahres - wie allgemein erwartet - jeweils ein leichtes Plus im Vergleich zu den entsprechenden Vorjahresquartalen herausspringen würde. Das Problem: Das erste Halbjahr in diesem Jahr lief insgesamt schlechter als erwartet. In nackten Zahlen heißt das: Im ersten Halbjahr 2014 brach die griechische Wirtschaftsleistung auf kumuliert 85,933 Milliarden Euro ein. Dies sind exakt 2,854 Milliarden Euro weniger als im ersten Halbjahr 2013.
Folglich muss die griechische Wirtschaftsleistung im zweiten Halbjahr 2014 kumuliert um mindestens die gleiche Summe - also 2,854 Milliarden Euro - steigen. Nur so kann der herbe Verlust aus dem ersten Halbjahr 2014 wettgemacht werden und nur so die jährliche Wirtschaftsleistung 2014 in Griechenland im Vergleich zum Vorjahr überhaupt wachsen. Damit dies aber eintritt, müsste die griechische Wirtschaftsleistung von 93,268 Milliarden Euro im zweiten Halbjahr 2013 auf mindestens 96,122 Milliarden Euro im diesjährigen zweiten Halbjahr in die Höhe schnellen. Dies würde einem Plus von gut drei Prozent in der zweiten Jahreshälfte im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum entsprechen.
Dieses hehre Ziel ist aber schon zu Beginn des dritten Quartals 2014 in weite, gar unerreichbare Ferne gerückt, wie bereits in Athen vorliegende Schlüssel-Daten belegen. Dabei ist gerade der Verlauf im dritten Quartal, das im Urlaubsland Griechenland im Vergleich zu den anderen Quartalen traditionell die höchste Wirtschaftsleistung aufweist, von entscheidender Bedeutung.
Ausgerechnet der Tourismus, mit einem Anteil von 16 Prozent am BIP einer der Grundpfeiler der Wirtschaftsleistung, enttäuscht die Analysten. Zwar ist die Zahl der ausländischen Touristen im Juli 2014 im Vergleich zum entsprechenden Vorjahresmonat stark gestiegen: und zwar um stattliche 29,4 Prozent. Aber: Die Direkterlöse aus dem Tourismus stiegen zugleich um lediglich 14,4 Prozent. Das zeigt: Die Touristen werden in ihrem Hellas-Urlaub immer sparsamer. Betrugen die Ausgaben im Juli 2013 durchschnittlich 716,3 Euro pro Tourist, sanken sie in diesem Juli auf nur noch 634,1 Euro.
Unweigerliche Folge: Die Direkterlöse aus dem Tourismus werden sich im laufenden Jahr zwar auf rund 13 Milliarden Euro erhöhen - den stark gestiegenen Besucherzahlen sei Dank. Dies sind aber im Jahresverlauf nur knapp eine Milliarde Euro mehr als im Vorjahr. Die Erkenntnis ist simpel: Der Tourismus (allein) kann es nicht richten, um Griechenland wieder auf den Wachstumspfad zu führen.
Doch damit nicht genug. Enttäuschend sind auch die übrigen bis dato vorliegenden Wirtschaftsdaten aus dem bald zu Ende gehenden dritten Quartal 2014. Von einer rasanten Aufholjagd mit einem Wachstum von mindestens drei Prozent im zweiten Halbjahr des laufenden Jahres, was für ein diesjähriges Wirtschaftswachstum in Griechenland ja unabdingbar ist, fehlt jedenfalls jede Spur.
Weniger Exporte und weniger Industrieproduktion
Beispiel griechische Exporte: Dieser andere vermeintliche Wachstumsmotor ist nicht nur ins Stocken geraten, er setzte vielmehr auch im Juli seine diesjährige Talfahrt fort. Konkret gingen die griechischen Gesamtausfuhren einschließlich der Ölprodukte im Vergleich zum entsprechenden Vorjahresmonat um 1,1 Prozent auf 2,456 Milliarden Euro zurück.
Ferner brach die griechische Industrieproduktion im gleichen Monat um weitere 2,1 Prozent ein. Überdies steckt Griechenland weiter in der Deflation. Die Preise fielen im Juli um 1,2 Prozent und im August um 0,3 Prozent. Dies ist schon das 18. Monat in Folge mit sinkenden Preisen. Der ungebremste Preisverfall ist aber Gift für die Konjunktur. Die Binnennachfrage fällt und fällt. Denn die krisengebeutelten Griechen, die noch dazu unter einer immer größeren Steuer- und Abgabenlast leiden, sparen notgedrungen an allen Ecken und Enden.
Feststeht: Die schönen Worte von Merkel, Samaras und Co. erweisen sich als Makulatur. Griechenland wird das siebte Jahr der Rezession durchschreiten. Der allenthalben propagierte Aufschwung in Athen lässt auf sich warten. Erfolgsstory Griechenland? Mitnichten.