OeNB: Abflüsse nicht nachvollziehbar. | Berlin diskutiert eine anonyme Abgeltungssteuer. | Wien. Viel zitiert ist sie, in Wirklichkeit findet sie aber wohl gar nicht statt: die Kapitalflucht aus Deutschland ins benachbarte Österreich.
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"Für uns ist das nicht nachvollziehbar. Wir sehen keine signifikante Steigerung", heißt es dazu aus der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB). "Im Mikro-Bereich (bei einzelnen Bankfilialen in Grenznähe, Anm.) mag es größere Zuwächse geben. In der Summe aber macht das für Österreich das Kraut nicht fett."
Gerade mal 400 Mio. Euro haben deutsche Bundesbürger auf österreichische Konten transferiert, seit die Berliner Regierung im April des Vorjahres das Bankgeheimnis mit dem Gesetz zur "Förderung der Steuerehrlichkeit" de facto ausgehebelt hat.
Das geht zumindest aus der sogenannten Monetär-Statistik der OeNB hervor. Spitze Zungen sprechen in diesem Zusammenhang von "Micky-Maus-Beträgen", die den heimischen Bankinstituten zugeflossen sind.
Bei den Einlagen seit Jahren kaum Bewegung Nach Angaben der Nationalbank waren zuletzt insgesamt 5,6 Mrd. Euro von deutschen Privatpersonen auf rot-weiß-roten Bankkonten gebunkert. Viel hat sich bei den Einlagen seit der der Einführung des automatischen Konto-Datenabrufs, der den deutschen Finanzbehörden mehr Schlagkraft in Sachen Steuern geben soll, nicht bewegt. Schon in der Zeit vor dem April 2005 hatte der Einlagenstand in Österreich beständig mehr als 5 Milliarden betragen.
Kapitalflucht - ja oder nein? Die Geister scheiden sich bei dieser Frage. Deutschen Medien, die sich auf Umfragen deutscher Bankenverbände berufen, berichten, der Geldabfluss sei einfach da, und er sei dramatisch. Dutzende Milliarden - die kolportierten Zahlen bewegen sich in einer Bandbreite von sieben bis 50 Mrd. Euro - sollen von Privathaushalten seit vergangenem Jahr allein nach Österreich verschoben worden sein. Die winzige Gemeinde Jungblut, das Kleinwalsertal in Tirol und der Raum Passau in Oberösterreich werden immer wieder als Hochburgen für deutsche Kapitalflüchtlinge genannt, für die ein streng gehütetes Bankgeheimnis offenbar ebenso wichtig ist wie das kirchliche Beichtgeheimnis. Vor allem viele Bayern, quer durch alle sozialen Schichten, sollen aus Angst vor den "Konten-Schnüfflern" des Fiskus ihr Erspartes massiv bei Instituten in Österreich deponieren.
Wehklagen bei Banken in Deutschland
Deutsche Banken beklagen seit längerem den monetären Aderlass und machen damit gehörig Druck auf die Regierung in Berlin. Einige haben inzwischen Filialen in den westlichen Bundesländern Österreichs eröffnet, um ihre Kunden nicht zu verlieren (so etwa die Raiffeisenbanken Rottal Inn und Berchtesgaden-Land).
In Österreich (auch in der Schweiz, Liechtenstein, Belgien und Luxemburg, die ebenfalls große Nutznießer der deutschen Kapitalflucht sein sollen) ist das Geld der Bankkunden vor staatlichem Zugriff weitestgehend sicher. Auskünfte durch Banken und Sparkassen sind nur dann zulässig, wenn ein richterlicher Befehl vorliegt und bereits ein Straf- oder Finanzverfahren gegen einen Kunden eröffnet wurde.
In Deutschland ist das Bankgeheimnis indes großteils ausgehöhlt: Ohne Anfangsverdacht einer Straftat dürfen nicht nicht nur die Finanzämter, sondern auch die Erbringer von Sozialleistungen die Stammdaten der Konten-Inhaber (Name, Geburtsdatum, Anschrift, Zahl der Konten bei welchen Instituten) einsehen. Datenschützer befürchten den gläsernen Bankkunden und fordern strengere Zugangsbeschränkunkungen. Die Banken wiederum verweisen auf die Kosten des Konten-Abrufverfahrens, die sie selber tragen müssen, obwohl sie nicht Nutzer des Systems sind. Gegen das Verfahren sind daher vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht zwei Beschwerden anhängig. Für Berlin ist die landesweit beklagte Kapitalflucht ein reales Thema. Vermutet wird, dass hier steuerliche Gründe eine Rolle spielen. Die Regierung hat bei ihrer Steuerreform daher eine anonyme Abgeltungssteuer auf Zinsen, Dividenden und Kursgewinne (ähnlich wie in Österreich) im Auge.