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Die Marathoniken der Lüfte

Wissen

Nicht nur Fettreserven entscheiden darüber, wie weit Vögel fliegen können.


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Vögel sind extreme Ausdauersportler. So kann ein Tier mit nur knapp 15 Gramm Körpergewicht 100 Stunden lang ohne Unterbrechung mit den Flügeln schlagen, um dabei von Kanada nach Südamerika zu gelangen. Möglich machen das nicht nur Fettreserven, sondern auch Proteine, die die magere Körpermasse einschließlich der Muskeln bilden. Zu dieser Erkenntnis kam ein Forscherteam um den Biologen Cory Elowe von der University of Massachusetts. Dies stellt die herkömmliche Meinung auf den Kopf, die davon ausging, dass Zugvögel ihren Eiweißverbrauch erst ganz am Ende ihrer Reise erhöhen.

Lange Zeit gingen Biologen davon aus, dass Vögel solche Ausdauerleistungen durch die Verbrennung von Fettreserven erbringen. Und tatsächlich ist Fett ein wichtiger Aspekt dieser Fähigkeit. "Die Vögel in unseren Tests verbrannten während des gesamten Fluges gleichmäßig viel Fett", erklärt Elowe. "Wir haben aber auch festgestellt, dass sie zu Beginn des Fluges extrem viel Eiweiß verbrennen und dass die Verbrennungsrate mit zunehmender Flugdauer abnimmt", so der Wissenschafter im Fachblatt "Proceedings of the National Academy of Sciences".

28 Stunden im Windkanal

Das Team, dem auch Julia Slezacek vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung der Veterinärmedizinischen Universität Wien angehörte, ließ mehrere Exemplare der in Nordamerika heimischen Streifenwaldsänger (Setophaga striata) und ihren engen Verwandten, den Kronenwaldsängern (Setophaga coronata), in einem Windkanal fliegen. Während der bis zu 15 Zentimeter lange Streifenwaldsänger ein Weitwanderer unter den Vögeln ist, ist der ähnlich kleine Kronenwaldsänger eher ein Kurzstrecken-Wanderer.

Die Forscher ließen die Vögel, die von Natur aus nachts ziehen, bei Sonnenuntergang im Windkanal frei. Dort beobachteten sie, wann ein Vogel beschloss, sich auszuruhen. Zu diesem Zeitpunkt sammelten die Wissenschafter den Vogel ein, maßen erneut seinen Fett- und Magermassengehalt und verglichen ihn mit den Messungen vor dem Flug.

"Eine der größten Überraschungen war, dass jeder Vogel noch reichlich Fett hatte, als er sich entschloss, seinen Flug zu beenden", betont Elowe. "Aber ihre Muskeln waren ausgemergelt. Eiweiß, nicht Fett, scheint der begrenzende Faktor zu sein, der bestimmt, wie weit Vögel fliegen können." Diese kleinen Singvögel können 20 Prozent ihrer Muskelmasse verbrauchen und innerhalb weniger Tage wieder aufbauen.

Drei Streifenwaldsänger absolvierten einen 28-Stunden-Flug und stellten damit den Forschern zufolge einen neuen Rekord für einen durchgehenden Flug im Windkanal auf.

Die Wissenschafter wissen immer noch nicht genau, warum die Zugvögel so früh auf ihrer Reise so große Eiweißvorräte verbrauchen, aber die möglichen Antworten würden ein breites Spektrum an zukünftigen Forschungsmöglichkeiten eröffnen, betonen sie in der Publikation.

Zittern hält warm

Wie ist es etwa möglich, Muskeln und innere Organe zu verbrauchen und sie dann so schnell wieder aufzubauen, wie es diese Vögel tun?, wäre eine neue Forschungsfrage.

Elowe möchte auch dem Zittern von Vögeln auf die Spur kommen. Denn nicht wandernde Vögel, die in kalten Gebieten überwintern, halten sich unter anderem durch Zittern warm. "Das ist auch eine Ausdauerleistung", erklärt der Biologe. Doch welche ist die bessere Methode der Kältebewältigung, wenn man die Erwärmung der Erde im Auge behält - Zittern oder doch der Vogelzug?(gral)