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Die Massai -"Hüter aller Rinder" -über EU verärgert

Von Alexandra Zavis

Politik

Susua - Den Massai in Kenia bedeuten ihre Rinderherden alles: Ernährung, Geld, Status. Dank ihres Viehs können die Nomaden die Schulgebühren für ihre Kinder bezahlen und sich eine Ehefrau leisten. Fassungslos blicken sie daher nach Großbritannien, wo wegen der Maul- und Klauenseuche hunderttausende Rinder notgeschlachtet werden. In Kenia tritt die hochansteckende Viruskrankheit häufig auf, wird jedoch nur mit traditionellen Hausmitteln behandelt.


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Die Massai betrachten sich als die Hüter aller Rinder in der Welt. Die Vorstellung einer Massenschlachtung ansonsten gesunder Tiere erschreckt sie nicht nur, sie fühlen sich persönlich betroffen. "Wenn die Europäer hier in Afrika wären, könnten wir sie dafür überfallen", sagt der Rinderzüchter Nicholas Tanyai ärgerlich. "Bringt die Tiere, die ihr töten wollt, und wir werden sie kaufen." Der Züchter Nanna Kakatleya vom Stamm der Kikuyu könnte sich niemals vorstellen, seine Tiere zu aufzugeben. "Wenn die Regierung mir sagt, ich soll meine Rinder töten, dann tötet sie mich", sagt er.

MKS wird von den Massai mit "Erkältung" verglichen

Ein Ausbruch der Maul- und Klauenseuche erregt in Kenia wie in anderen Ländern Afrikas, Asiens und Südamerikas kaum Aufsehen. Die Infektion stellt für Menschen keine Bedrohung dar, und die Massai vergleichen sie mit einer Erkältung; sie benutzen für beide Krankheiten dasselbe Wort. Die Rinderhirten behandeln die Hufe und Mäuler der Tiere mit einem Sud aus Kräutern und Salz und warten einfach ab. Ein Schlachtprogramm wie in Großbritannien wäre in Kenia undenkbar. Die Regierung hat kein Geld, um die Bauern zu entschädigen. Eine Schlachtung wäre nach Ansicht von Veterinären auch nicht effektiv, wenn nicht auch wilde Tiere getötet würden. Bei einem Ausbruch von MKS ordnen die Behörden in der Regel Impfungen an und verhängen in dem betroffenen Gebiet eine Quarantäne.

Während das Virus in Europa zu einem Rückgang der Milchproduktion führt und die Tiere mager bleiben, hat er auf afrikanische Rassen offenbar weit geringere Auswirkungen. Der Epidemiologe Brian Perry erklärte in Nairobi, in Kenia erliegen nur die jüngsten Tiere der Krankheit. Das Vieh in Afrika bringe generell weniger Ertrag, sei jedoch auch resistenter gegen MKS.

Panik in Westeuropa hat ökonomische Ursachen

Die Panik in Westeuropa ist weniger auf die Natur der Krankheit als vielmehr auf ihre Auswirkungen auf den Export zurückzuführen. Ein Land, dass infizierte Tiere importiert, riskiert die Übertragung von MKS auf die eigenen Herden. Bei einer Massenimpfung verliert der Staat seinen MKS-freien Status auf dem Weltmarkt. Die Kenianer produzieren nur für den heimischen Markt.

Einer der größten Rindfleischproduzenten des Landes, Delamere Estates, impft alle vier Monaten alle importierten Kühe, wie Geschäftsführer Retief erklärt. Er zeigt sich erstaunt über das Vorgehen der britischen Behörden angesichts der Epidemie. "Vielleicht ist die Krankheit gefährlich für Euch Europäer", sagte er. "Tötet Ihr darum Eure Rinder?"