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Die Massen klagen

Von Gerald Jatzek / WZ Online

Wirtschaft

Der deutsche Bundestag will diese Woche ein Gesetz beschließen, das die sechsmonatige Speicherung aller Telefon- und Internetdaten zur Pflicht macht. Nicht alle Bürger sind darüber froh. Mit Aufklärung, Demonstrationen und Verfassungsklagen wollen sie ihre Privatsphäre schützen.


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Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung verfügt bereits über 7000 Vollmachten für eine Klage beim Verfassungsgericht in Karlsruhe. Die Datenschützer bereiten damit "größte Verfassungsbeschwerde in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland" vor. Als Vorbereitung rufen sie zu bundesweiten Kundgebungen am Dienstag auf.

Was ihnen Sorge bereitet, sind die Pläne von CDU, CSU und SPD. Nach dem Willen der Großen Koalition wird ab 2008 nachvollziehbar sein, wer mit wem in den letzten sechs Monaten per Telefon, Handy oder E-Mail in Verbindung gestanden oder das Internet genutzt hat. Bei Gesprächen mit dem Handy und SMS soll auch der jeweilige Standort des Benutzers festgehalten werden. Anonymisierungsdienste sollen verboten werden.

Mit Hilfe der über die gesamte Bevölkerung gespeicherten Daten können Bewegungsprofile erstellt, geschäftliche Kontakte rekonstruiert und Freundschaftsbeziehungen identifiziert werden. Auch Rückschlüsse auf den Inhalt der Kommunikation, auf persönliche Interessen und die Lebenssituation der Kommunizierenden werden möglich. Zugriff auf die Daten sollen Polizei, Staatsanwaltschaft, Nachrichtendienste und ausländische Staaten erhalten, die sich davon eine verbesserte Strafverfolgung versprechen.

Die deutsche Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) hat die massive Kritik an der geplanten Speicherung zurückgewiesen. Die FDP hat Änderungen gefordert, die Linke sieht Deutschland auf dem Weg zum Überwachungsstaat. Teilweise scharfe Kritik kam von Berufsgruppen, die von Berufs wegen vertraulichen Umgang mit Kunden und Klienten pflegen wie Anwälte, Ärzte, Journalisten und Psychologen.

Hintergrund des geplanten Gesetzes ist wie bei den entsprechenden Plänen in Österreich eine EU-Richtlinie. Diese wird allerdings von Irland beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) angefochten.

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