Lange Wartezeiten für die Flüchtenden. | Klagen über die Organisation. | Beirut. Die Abendsonne hat sich über das große Messegelände unweit des Beiruter Hafens gelegt. Noch immer sitzen vielleicht hundert Menschen in Gruppen auf der Wiese vor der großen Halle. "Happy Travel" steht auf den Seiten eines großen Reisebusses, der das Gelände gerade verlässt. Fünf weitere Busse sind schon abfahrbereit, doch noch warten die Organisatoren von der Deutschen Botschaft auf drei weitere Busse. Fast 3000 Menschen hatten sich hier am Mittwochmorgen eingefunden - da reichten selbst die großzügig eingeplanten 46 Großfahrzeuge nicht.
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Angesichts des nicht absehbaren Endes der israelischen Offensive im Libanon sind auch am Donnerstag erneut tausende Ausländer aus der Region geflohen, darunter hunderte Deutsche. 350 Bundesbürger verließen den Libanon auf dem Landweg, 580 wurden aus Damaskus ausgeflogen. Hunderte weitere sollten im Laufe des Tages und der Nacht folgen. Die USA brachten mehr als 900 ihrer Bürger per Schiff aus der Krisenregion, 3000 weitere sollten noch am Donnerstag folgen. US-Marineinfanteristen, die ersten, die seit 1983 im Libanon operieren, sicherten dazu einen libanesischen Hafen ab.
Rund 500 französische Staatsbürger wurden in Tyrus mit Booten auf ein zyprisches Schiff gebracht. Die Menschen, vor allem Frauen und Kinder, waren aus verschiedenen Regionen im Süden des Libanon nach Tyrus gekommen, um mit dem von der französischen Regierung gecharterten Schiff zu fliehen.
1000 Briten aus Beirut evakuiert
Aus Beirut wurden nach Angaben des britischen Verteidigungsministeriums mehr als 1000 Briten evakuiert. Bereits am Mittwoch waren mehr als 1000 Briten an Bord zweier Kriegsschiffe nach Zypern gebracht worden.
In Moskau landete am Donnerstag eine Maschine aus Zypern kommend mit etwa 350 russischen Libanon-Flüchtlingen an Bord. Eine aus Beirut kommende Fähre mit 280 Schweden legte im türkischen Mersin an.
Mittwochabend, fast zwölf Stunden, nachdem die bislang größte Ausfuhraktion von Ausländern aus dem Libanon begann. Gezeichnet vom stundenlangen Warten sitzen hier Familien mit Kindern, ein Mann mit einem "Deutschland - Weltmeister 2006"-T-Shirt schimpft über die seiner Ansicht nach schlechte Organisation. "Meine Schwester ist schon heute Mittag in einem Bus mitgekommen, während ich hier mit meiner Frau und den zwei Kindern noch warte." Zum ersten Mal seit zwei Jahren war Zouhair Mansour wieder zur Familie in den Libanon gereist, dass sein Abschied zurück nachhause nach Berlin so dramatisch verlaufen würde, hätte er sich bei Urlaubsantritt vor zehn Tagen nicht träumen lassen.
Geduldig hingegen sitzt Susan Awada mit ihren Kindern und dem Mann nur ein paar Schritte weiter auf dem Rasen. Vor drei Tagen flohen sie aus dem südlibanesischen Ort Sarafant Richtung Norden. In ihrem Fluchtbus sahen sie, wie eine Rakete nur kurz neben ihnen einschlug, der junge Sohn erzählt verstört von einem Auto, das direkt vor ihnen in Flammen aufging. Jetzt hofft die Familie nur noch, möglichst bald zurück nachhause zu kommen. Nachhause nach Paderborn, denn dort lebt die schiitische Familie seit 22 Jahren. Zum Abschied ruft Susan Awada hinterher: "Die Libanesen sind stark und werden es nie zulassen, dass ihr Land ein neuer Irak oder ein neues Palästina wird. Dazu werden sie sich auch von der schlimmsten israelischen Aggression nicht hinreißen lassen."