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Die Massenvernichtungs- waffen von Boston

Von Georg Friesenbichler

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Aus dem Umgang mit dem Attentat ergibt sich eine Reihe von Fragen nach passenden und unpassenden Vergleichen.


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Es gibt Dinge, die kann man nicht vergleichen. Etwa die drei Toten durch den Anschlag in Boston mit den 14 Toten durch die Explosion einer Düngemittelfabrik in einer texanischen Kleinstadt. In der Fabrik dürfte es sich um einen ganz normalen Chemieunfall gehandelt haben.

Ebenso verbietet sich ein Vergleich mit Naturkatastrophen oder mit Hungersnöten, die meist gleichfalls als naturbedingt dargestellt werden. Und wenn in Afghanistan ein Dutzend Kinder durch einen US-Angriff umgekommen sind wie im April, fällt ein Unterschied ins Auge - im Bürgerkrieg am Hindukusch überraschen hohe Opferzahlen nicht, während im scheinbar geschützten Umfeld selbst wenige Tote eine Hysterie auslösen können.

Wird das Idyll gestört, spricht man von "Terror", auch wenn die anderen genannten Ereignisse ebenso "Schrecken", so die ursprüngliche Bedeutung des Wortes, verbreiten. Was denn aber als Terrorismus zu definieren ist, darüber gibt es keine Einigkeit. Das US-Außenministerium spricht etwa von "vorsätzlichen politischen Gewaltakten gegen Nicht-Kämpfer", also Zivilisten. Andere meinen, die Verbreitung der Furcht sei Mittel, um politische, religiöse oder ideologische Ziele zu erreichen.

Ob denn die Bostoner Attentäter wirklich definierte Ziele vor Augen hatten, ist fraglich. Vieles deutet daraufhin, dass eine narzisstische Persönlichkeitsstörung, also die Kompensation mangelnden Selbstwertgefühls, eine Rolle gespielt hat. Der Norweger Anders Breivik hingegen ist ein Beispiel, wie sich das psychische Defizit mit ideologischem Wahn zu einem blutigen Konglomerat verbinden kann.

Manche wollen solche psychopatholgischen Aspekte der Tat aber nicht wahrhaben. Einige derselben republikanischen Senatoren, die knapp zuvor zusammen mit Abweichlern der demokratischen Partei eine leichte Verschärfung der US-Waffengesetze verhindert hatten, setzten sich sogleich dafür ein, die zwei Abkömmlinge einer tschetschenischen Flüchtlingsfamilie als "feindliche Kämpfer" einzustufen, wie man es mit Al-Kaida-Mitgliedern getan hat. Die Demokraten haben dies mit dem Hinweis abgeschmettert, dass der überlebende Attentäter eingebürgerter Amerikaner sei. Indes überlegte sogar die Obama-Regierung, dem Bomber das sonst vorgeschriebene Verlesen seiner Rechte und einen Anwalt vorzuenthalten. Und angeklagt wurde er schließlich wegen Gebrauchs von "Massenvernichtungswaffen" - hätte George W. Bush von dieser weiten juristischen Interpretation des Begriffs gewusst, der Einmarsch in den Irak wäre ihm noch leichter gefallen.

Dieser Krieg hat übrigens den Tod von weit mehr als 100.000 Zivilisten verursacht. Aber es gibt eben Dinge, die soll man nicht vergleichen.